seit 2006 ohne GKV - Schutz und nun Antrag auf ALG II

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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groko
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seit 2006 ohne GKV - Schutz und nun Antrag auf ALG II

Beitragvon groko » 09.08.2010, 09:55

Hallo zusammen,

zu meinem Problem.

Ich bin ehrenamtlicher Betreuer eines 62 jährigen Mannes geworden. Der hat seit 2006 keine KV mehr, weil er nicht gearbeitet hat. Hat mehr oder weniger auf der Strasse gelebt und vom Schnorren usw.

Nun kümmere ich mich um ihn und werde wohl einen Antrag auf Hartz4 stellen.
Er ist seit 2006 bei keinem Arzt gewesen was sich auch an seinem Gesundheitszustand abgezeichnet hat ( Zähne , Bandscheibe usw. )

Er wurde von der GKV damals gekündigt, da er sich eine private Weiterversicherung nicht leisten konnte bzw. er sich nicht darum gekümmert hat.

Wie sieht das jetzt aus, wenn er SGB II beantragt und bekommt ?
Ist er dann wieder in der GKV, wo er bis 2006 versichert war ?
Oder soll ich versuchen, für ihn eine kurzfristige Beschäftigung mit 401,00€ ( versicherungspflichtig ) zu finden ?

Danke vorab für die Ratschläge.

Gruß

Rossi
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Beitragvon Rossi » 09.08.2010, 13:03

Nun musst Du uns zunächst auflkären:

von der GKV damals gekündigt, da er sich eine private Weiterversicherung nicht leisten konnte bzw. er sich nicht darum gekümmert hat.


Was ist das?

War er zuletzt bei der GKV (bspw. AOK; BEK, DAK; IKK) freiwillig versichert oder bei einer priv. Krankenversicherung?

Du hast jetzt einen Antrag auf Hartz IV gestellt. War der Kunde 1 Tag vor dem Hartz IV-Antrag hauptberuflich selbständig?

groko
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Beitragvon groko » 09.08.2010, 15:04

Hallo Rossi,

zu 1,

Er war bei der AOK pflichtversichert und konnte sich nach der Kündigung seines Jobs eine Weiterversicherung bei der AOK nicht leisten.Wegen Beitragsrückstand hat ihn dann die AOK gekündigt.
Übrigens dieses Kündigungsschreiben von der AOK ist das einzige Schriftstück, was er noch bei sich hatte.
Daraus geht ja seine Vers. Nr. hervor.

zu 2,

Nein, er war nie selbständig. Nur bis 2006 mit Unterbrechungen bei der AOK pflichtversichert.

Antrag auf Hartz4 wurde noch nicht eingereicht.

Danke für erste

Rossi
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Beitragvon Rossi » 09.08.2010, 22:36

Nun denn, Dein Betreuter ist schon längst versichert und zwar seit dem 01.04.2007.

Er ist von der sog. Kralle erwischt worden. Es ist die sog. Versicherungspflicht der Nichtversicherten ab dem 01.04.2007.

Die Kralle hat bislang nicht zugeschlagen, sie wird aber demnächst rückwirkend ab dem 01.04.2007 zuschlagen.

Damit will die Kasse natürlich auch die Beiträge ab April 2007 haben. Nur schlappe 140,00 Euro pro Monat rückwirkend, mehr nicht. Da kommt noch etwas.

Du solltest jetzt hingehen und den sog. Anzeigebogen zur Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der letzten Kasse einreichen.

Stelle gleichzeitig einen Antrag gem. § 186 Abs. 11 SGB V auf Ermäßigung der nachzuzahlenden Beiträge. Wenn Du Glück hast, dann ermäßigt die Kasse auf ca. 40,00 Euro pro Monat als Nachzahlungsbetrag. Wenn du Pech hast, dann will die Kasse die 140,00 Euro pro Monat.

Viel Spass!

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Beitragvon Dipling » 09.08.2010, 23:42

Wenn er obdachlos war, verzichten die Kassen grundsätzlich auf rückständige Beiträge.

Wenn er nicht obdachlos war, ist die Frage, ob er vom geistigen/körperlichen Zustand her (die Einrichtung der Betreuung muss ja einen Grund haben) überhaupt zur Meldung bei der Krankenkasse in der Lage war - das ist eine mögliche Begründung für einen Beitragserlass nach §186(11) SGB V.

Wenn Beitragsrückstände bestehen, kann die GKV die Leistungen auf akute Notfallbehandlungen beschränken.
Die gilt nicht bei ALG2-Bezug
Zuletzt geändert von Dipling am 09.08.2010, 23:47, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Rossi » 09.08.2010, 23:46

Meine Erfahrung zeigt aber, dass es nicht so ist.

Es gibt einige Kassen, die auf die Obdachlosigkeit reagieren, die sind aber noch in der Minderheit.

Obwohl, ich persönlich sehe immer sehr gute Chancen auf eine Ermäßigung mit dem Hintergrund, dass man es nicht gewusst hat.

Viele Kassen reiten jedoch noch auf das Gegenteil herum und keiner wagt die sozialgerichtliche Hilfe!

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Beitragvon Dipling » 09.08.2010, 23:55

Dass die Kassen bei Obdachlosen rückständige Beitrage verzichten sollen, hat einerseits natürlich soziale Gründe, andererseits ganz pragmatische - das Eintreiben von Forderungen wäre bei dieser Personengruppe so gut wie immer aussichtslos.
Kassen , die es dennoch versuchen, kann man nur "viel Spass" wünschen :roll:

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Beitragvon groko » 10.08.2010, 02:16

Hallo,

Frage 1;
aber wenn er nun ALG II bekommt, ist er dann nicht automatisch wieder über die ARGE in der GKV ?

Frage 2;
Oder soll ich einen Hilfsjob für besagte 401,00 € für ihn suchen, dann wäre er doch auch wieder versichert ?
oder nicht ?

Frage 3;
Sollte das alles nicht funktionieren, soll ich dann alle GKV abklappern und versuchen, ihn mit der Ermäßigung ( § 186 SGB V ) unterzubringen.
Die Beiträge muß ich mir halt dann irgendwo organisieren.

Danke

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Beitragvon Dipling » 10.08.2010, 07:53

zu 1+2:

Wie gesagt, er ist bereits nach § 5(1) Nr. 13 SGB V versichert - die Kasse weiss nur noch nichts davon.

Bei ALG 2 -Bezug tritt eine vorrangige Versicherungspflicht nach § 5(2a) SGB V in Kraft. In diesem Fall darf die Kasse bei Beitragsrückständen die Leistungen nicht einschränken.

Bei einem 401-Job ist er vorrangig nach §5(1) Nr. 1 SGB V versichert.

Zu 3:
Die GKV kann nicht frei gewählt werden. Zuständig ist die Kasse, die zuletzt die Versicherung durchgeführt hat.
Man kann zwar versuchen, ihn bei einer anderen GKV unterzubringen. Nur muss die angefragte Kasse zur Aufnahme die Vorversicherung prüfen, sie wird dabei in aller Regel die Versicherungslücke feststellen und daher auf die letzte Kasse verweisen müssen.

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Beitragvon groko » 10.08.2010, 10:33

Hallo Dipling,

kannst du mir bitte in einfachen Worten die Bedeutung erklären, was es mit den §§ auf sich hat. Ihr seid Profis und habt ständig mit der Materie zu tun, aber ein Aussenstehender tut sich da schon schwer.

1. Ist er mit ALG II versichert ?
2. Was passiert mit dem Rückstand ?

3. Mein Betreuter wird ein kleines Appartement erben.Wird die Kasse dann den Rückstand einklagen? evtl. mit Zwangsversteigerungsverfahren o.ä.

4. Wenn er in ein 401,00€Arbeitsverhältnis kommt, kann er dann bei der zuletzt versicherten KV angemeldet werden ?
Und hier stellt sich auch die Frage nach dem Rückstand .
Wie wird hier in der Regel verfahren.

5. Wie würdet ihr die Situation lösen ?

Bitte ohne §§ wenn es geht.

Danke

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Beitragvon Dipling » 10.08.2010, 12:46

Was ich mit den §§ sagen wollte: Es sind zwar unterschiedliche Arten der Versicherungspflicht, aber er landet immer bei seiner alten GKV.

Dabei ist es egal, ob er sich so bei seiner alten Kasse meldet oder ob er ALG2 bezieht oder ob er einen versicherungspflichtigen Job annimmt.
In allen Fällen ist die letzte GKV zuständig, die ihn aufnehmen muss, aber auch grundsätzlich Beitragsnachforderungen für die Zeit ab 01.04.2007 stellen kann.

Für einen Erlass der rückständigen Beiträge nach § 186(11) SGB V bestehen zumindest in diesem Fall gute Chancen, da der Betroffene anscheinend zeitweise obdachlos war.
Durch die eingerichtete Betreuung ist es im Grunde gerichtlich bestätigt, dass er seine Angelegenheiten zumindest teilweise nicht mehr selbst besorgen kann und ihn an der verspäteten Meldung bei der Kasse wahrscheinlich kein Verschulden trifft. Entsprechende ärztliche Gutachten liegen zumindest dem Gericht vor, sonst darf keine Betreuung angeordnet werden.

Falls die Kasse auf ihren Forderungen zunächst behaart, steht der (kostenlose) Weg zum Sozialgericht frei.
Allerdings darf die Kasse anders als private Gläubiger unmittelbar vollstrecken (z.B. Kontopfändung).

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Beitragvon groko » 10.08.2010, 15:48

Danke für die Hilfe.

Jetzt hab ich es auch verstanden. -bb- -bb- -bb-

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Beitragvon groko » 11.08.2010, 09:04

Rossi hat geschrieben:Nun denn, Dein Betreuter ist schon längst versichert und zwar seit dem 01.04.2007.

Er ist von der sog. Kralle erwischt worden. Es ist die sog. Versicherungspflicht der Nichtversicherten ab dem 01.04.2007.

Die Kralle hat bislang nicht zugeschlagen, sie wird aber demnächst rückwirkend ab dem 01.04.2007 zuschlagen.

Damit will die Kasse natürlich auch die Beiträge ab April 2007 haben. Nur schlappe 140,00 Euro pro Monat rückwirkend, mehr nicht. Da kommt noch etwas.

Du solltest jetzt hingehen und den sog. Anzeigebogen zur Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bei der letzten Kasse einreichen.

Stelle gleichzeitig einen Antrag gem. § 186 Abs. 11 SGB V auf Ermäßigung der nachzuzahlenden Beiträge. Wenn Du Glück hast, dann ermäßigt die Kasse auf ca. 40,00 Euro pro Monat als Nachzahlungsbetrag. Wenn du Pech hast, dann will die Kasse die 140,00 Euro pro Monat.


Viel Spass!


Hallo Rossi,

soll ich den Antrag jetzt schon stellen oder erst nach dem Antrag auf ALG II ?

Danke

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Beitragvon Rossi » 11.08.2010, 18:44

Ich empfehle Dir ehrlich gesagt, schon jetzt Kontakt mit der Kasse aufzunehmen und alles in die richtige Bahn zu lenken.


Du bist vermutlich vom Amtsgericht zum Betreuer bestellt worden. Damit hast Du die Interessen des Betreuten zu wahren.

Dazu gehört vermutlich auch die Krankenversicherung.

Das Problem ist nicht aufgehoben, sondern einfach nur aufgeschoben.

Wenn Du abwartest, bis die ARGE den Betreuten bei der Kasse anmeldet, dann wird die Kasse die Anmeldung vermutlich erst einmal zurückweisen, da der Kunde nicht zuvor dort versichert war. Und dann geht das Theater und hin und hergeschiebe nämlich los. Ist zumindest meine Erfahrung aus der Praxis.

Nachzahlen muss man auf jeden Fall.

Ach ja, stelle sofort den Antrag auf Ermäßigung mit der Begründung, dass der Betreute es nicht gewusst hat und ohne festen Wohnsitz war.

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Beitragvon groko » 11.08.2010, 22:32

Hallo @Rossi,

so hatte ich es mir auch gedacht. Wollte nur noch die Erfahrung von Profis hören.

Dann kann man nur Daumen drücken, dass die AOK mitmacht.

Trotzdem vielen Dank an alle Mod's für dieses gute Forum.

Viel Glück und viel Erfolg an alle.


Gruß


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