ALG2 und Krankenversicherung

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

Moderatoren: Rossi, Czauderna, Frank

alib
Beiträge: 3
Registriert: 18.07.2012, 17:03

ALG2 und Krankenversicherung

Beitragvon alib » 18.07.2012, 19:23

Hallo liebe Mitglieder!
Vorab: ein sehr informatives Forum! Ich habe schon einige sehr hilfreiche Beiträge gelesen. Da ich nicht weiß, ob es auch auf meinen Fall zutrifft, werde ich meinen Fall schildern. Ich bewege mich zum ersten Mal in einem Forum und bitte um Nachsehen, sollte ich mich blöd anstellen!

Mein Fall:

Ich bin die letzten 19 Monate weder selbständig noch sozialversicherungspflictig tätig gewesen. Ich hatte keine Einnahmen, kein Vermögen, keine Sozialleistungen, kein Geld. Die Krankenversicherung konnte ich mir auch nicht leisten. Nun ist das Ende der Fahnenstange erreicht, nachdem auch diverse Job-Bewerbungen nicht gefruchtet haben.
Am 25.06.12 habe ich einen Antrag auf ALG2 gestellt. Alle Unterlagen liegen vor bis auf die Mitgliedsbescheinigung der Barmer (meiner alten KV). Gestern wurde mir mitgeteilt, daß mir eine Mitgliedsbescheinigung nur ausgehändigt wird, wenn ich mit Ihnen vertraglich und schriftlich vereinbare, daß ich die bis dato angefallenen Nachzahlungsforderung monatlich abtrage. Davon hielt ich Abstand, weil ich noch keine Antragsbewilligung auf ALG2 habe und ich demnach auch noch keinen Cent zahlen kann.
Nun meine Fragen:
1. Kann die Krankenkasse das von mir verlangen? Mir also die Mitgliedschaft verweigern?
2. Kann daraufhin mein ALG2- Antrag abgewiesen werden? Oder steht mir nicht unabhängig von der Krankenkasse die Leistung zum Lebensunterhalt zu? Muß ich dann gegebenenfalls dagegen "klagen"?
3. Oder muß mich nach Ablauf von 14 Tagen nach Antragstellung das jobcenter bei der Krankenkasse anmelden.
4. Kann die Krankenkasse diese Nachforderungen an mich stellen, wo ich doch keine Einnahmen hatte, nicht beim Arzt war und mein Versicherungsverhältnis seit Mai 2010 gekündigt war(habe meine Karte damals auch ganz artig in der Geschäftsstelle abgeliefert)

Über schnellstmögliche hilfreiche Antworten wäre ich sehr dankbar!

Mit freundlichen Grüßen

Rossi
Moderator
Moderator
Beiträge: 5922
Registriert: 08.05.2007, 18:39

Beitragvon Rossi » 18.07.2012, 20:28

Boah,

Zitat:
Gestern wurde mir mitgeteilt, daß mir eine Mitgliedsbescheinigung nur ausgehändigt wird, wenn ich mit Ihnen vertraglich und schriftlich vereinbare, daß ich die bis dato angefallenen Nachzahlungsforderung monatlich abtrage

schon wieder ein Fall der sog. Nötigung.

1. Kann die Krankenkasse das von mir verlangen? Mir also die Mitgliedschaft verweigern?

Nein!

2. Kann daraufhin mein ALG2- Antrag abgewiesen werden? Oder steht mir nicht unabhängig von der Krankenkasse die Leistung zum Lebensunterhalt zu? Muß ich dann gegebenenfalls dagegen "klagen"?

Nein, das Jobcenter kann aufgrund einer fehlenden Mitgliedsbescheinigung die Leistungen zum Lebensunterhalt nicht verweigern. Teilweise wird es aber versuchet. Es kommt also darauf an, wie kompetent der Sachberarbeiter im Jobcenter ist.

3. Oder muß mich nach Ablauf von 14 Tagen nach Antragstellung das jobcenter bei der Krankenkasse anmelden.

Die 14 Tagesfrist ist schon längst verstrichen. Denn der ALG II-Antrag vom 25.06.2012 wirkt auf den 01.06.2012 zurück. Da Du keine Mitgliedsbescheinigung beim Jobcenter vorgelegt hast, muss das Jobcenter Dich gem. § 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V bei der alten Kasse anmelden. Dies ist völlig gebunden.

Die meisten Jobcenter kennen diese Vorschrift nicht bzw. ignorieren sie einfach.

4. Kann die Krankenkasse diese Nachforderungen an mich stellen, wo ich doch keine Einnahmen hatte, nicht beim Arzt war und mein Versicherungsverhältnis seit Mai 2010 gekündigt war(habe meine Karte damals auch ganz artig in der Geschäftsstelle abgeliefert)

Das verstehe ich jetzt nicht. Wie bist Du denn bis Mai 2010 bei der Kasse versichert gewesen? War es eine Pflichtmitgliedschaft als Arbeitnehmer oder bspw. eine freiwillige Mitgliedschaft?

alib
Beiträge: 3
Registriert: 18.07.2012, 17:03

Beitragvon alib » 18.07.2012, 20:38

schon mal vielen Dank für die schnelle Antwort!
ich war damals auch durch das jobcenter pflichtversichert. und seit mai 2010 bei der KV abgemeldet wegen Auslandsaufenthaltes. Nach der Rückkehr nach Deutschland habe ich mich bis dato aus besagten finanziellen Gründen nicht wieder bei der KV "zurückgemeldet"

Gruß

alib

Rossi
Moderator
Moderator
Beiträge: 5922
Registriert: 08.05.2007, 18:39

Beitragvon Rossi » 18.07.2012, 21:37

Okay, dann bist Du nach der Rückkehr aus dem Ausland bei der alten Kasse versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V. Jeder soll ja in Deutschland im Krankheitsfall versichert sein.

Die Kasse kann natürlich nicht riechen, ob und wann Du aus dem Ausland zurückkehrst. Aus diesem Grunde geht das Bundesversicherungsamt (Aufsichtsbehörde von der Barmer) davon aus, dass Du einen sog. Anzeigebogen zur Versicherungspflicht bei der Kasse einreichen musst. Ohne diesen Anzeigebogen kann diese Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V nicht durch die Kasse festgestellt werden und natürlich auch keine Beiträge erhoben werden. D.h. im Klartext, dass Du hier ggf. mitwirken musst, in dem Du den berüchtigten Bogen ausfüllst.

Das Bundesversicherungsamt hält in einem Schreiben vom 17.08.2008 an die Kassen nachfolgendes fest:

Kann die Krankenkasse mangels Mitwirkung des Versicherten den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht klären, gelten die allgemeinen Beweislastregeln. Danach kann die Versicherungspflicht nicht angenommen oder möglicherweise gar unterstellt werden.

Den Kassen bleibt in diesem Fall nur, den (potentiellen) Versicherten eindringlich und nachweisbar über seine Mitwirkungspflichten und die Folgen fehlender Mitwirkung aufzuklären. Zu diesen Folgen, über die aufzuklären wäre, gehört auch, dass der Versicherte die Beiträge für die Zeit ab Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlen hat, wenn im Nachhinein Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 8GB V festgestellt wird.




Okay, diese Aussage dürfte schon mal ziemlich eindeutig sein. Wenn Du diesen berüchtigten Anzeigebogen nicht ausfüllst und auch nicht bei der Kasse einreichst, dann kann die Kasse von Dir auch nix fordern.

Dann kommt jetzt der ALG II-Antrag ab dem 01.06.2012 hinzu.

Durch den ALG II-Bezug entsteht nunmehr wieder ab dem 01.06.2012 eine neue Mitgliedschaft. Diese neue Mitgliedschaft ist auch nicht davon abhängig, dass Du zuvor den Anzeigebogen für die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB ausfüllst und bei der Kasse einreichst.

Für den Bereich der ALG II-Empfänger gibt es ein mega Rundschreiben des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Dies Rundschreiben ist für die Kassen und auch für die Jobcenter völlig bindend. Man darf dort nicht aus der Reihe tanzen.

Guckst Du hier:

http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A07-Geldleistung/A071-Arbeitslosigkeit/Publikation/pdf/KV-Rundschreiben-AlgII.pdf

Auf Seite 33 2. Absatz

Auf Personen, die taggenau vor Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld II tatsächlich we-der gesetzlich noch privat versichert waren, zuletzt jedoch der GKV angehörten, treffen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 5a zweite Alternative SGB V - ungeachtet der Personenkreis-zugehörigkeit – von vornherein nicht zu, wenn die Voraussetzungen für eine Versicherungs-pflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V vorlagen, die Versicherungspflicht tatsächlich jedoch, z. B. wegen mangelnder Mitwirkung der betroffenen Person, nicht festgestellt worden ist. Diese Personen sind im Sinne einer konsequenten Systemabgrenzung für die Zeit des Ar-beitslosengeld II-Bezuges (weiterhin) der GKV zuzuordnen


Diese Rundschreiben spiegelt doch genau die Auffassung des Bundesversicherungsamtes wieder. Wenn Du den Anzeigebogen nicht einreichst, muss Deine Kasse die neue Mitgliedschaft im Rahmen des ALG II-Bezuges auch ohne vorige Eintragung und Nachzahlung der Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V eintragen.

Diese Fälle haben wir hier schon sehr oft gehabt. Allerdings gibt es noch einige Kassen und Jobcenter, die leider aus der Reihe tanzen.

Entweder kennt der zuständige SB der Kasse dies Rundschreiben nicht, oder er lebt in einer eigener Traumwelt und versucht Dich nur auszutrixen.

Czauderna
Moderator
Moderator
Beiträge: 4630
Registriert: 04.12.2008, 22:54

Beitragvon Czauderna » 18.07.2012, 21:38

alib hat geschrieben:schon mal vielen Dank für die schnelle Antwort!
ich war damals auch durch das jobcenter pflichtversichert. und seit mai 2010 bei der KV abgemeldet wegen Auslandsaufenthaltes. Nach der Rückkehr nach Deutschland habe ich mich bis dato aus besagten finanziellen Gründen nicht wieder bei der KV "zurückgemeldet"

Gruß

alib


Hallo,
jetzt musst die Auffassung von Rossi nur noch der Barmer beibringen und natürlich auch dem Job-Center - die Kasse wird dir "unterstellen" und ggf. auch durch eine Einwohnermeldeamtsanfrage belegen, dass du deinen Erstwohnsitz in Deutschlannd hattest, sie die letzte Kasse war( wenn du keine Angaben machst kann es sein, dass es die Kasse auf einen RFechtsstreit ankommen lässt) und deshalb Beiträge nachzahlen musst - wenn du Glück hast, wird man wegen des "Auslandsaufenthaltes" mit sich reden lassen. Rossi meint, das wäre nicht zulässig - das Problem ist eben, ohne Mitgliedsbescheinigung wird die das JOB-Center keine Leistung gewähren, was lt. Rossi genau so falsch ist, also kämpfst du an zwei "Fronten", und Rossi, bevor du jetzt wieder meinst, mir einen Vortrag zu schreiben, ich schreibe wieder einmal nur meine Meinung, für die Gesetzestexte ubnd die "passenden" Urteile bis du zuständig.
Wenn du (lib) allerdings Glück hast wird die Kasse auch sagen können, dass es ihr egal ist und dir selbstverständlich sofort eine Mitgledsbescheinigung ausstellen, wenn du nicht zahlen kannst oder willst, dann ist das auch okay so - auf hoher See und vor dem lieben Gott und den Gesetzen sind alle gleich.
Gruss
Czauderna

Rossi
Moderator
Moderator
Beiträge: 5922
Registriert: 08.05.2007, 18:39

Beitragvon Rossi » 18.07.2012, 21:54

Na ja Günter,

Zitat:
das Problem ist eben, ohne Mitgliedsbescheinigung wird die das JOB-Center keine Leistung gewähren,

Und wo ist hierfür die entsprechende Rechtsgrundlage? Es ist gesetzlich genau geregelt (§ 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V), wie zu verfahren ist, wenn jemand keine Mitgliedsbescheinigung vorlegt.

Ferner hat die Versagung der Leistungen zum Lebensunterhalt nix mit der Krankenversicherung zu tun. Dies sind 2 Baustellen.

Ich habe jedesmal eine Putenpelle bzw. Elefantenpickel bekommen, wenn damals die Kollegen aus dem Jobcenter mich deswegen (fehlende Mitgliedsbescheinigung = keine Leistungen) kontaktiert haben.

Auf der anderen Seite - mein lieber Günter - habe ich in solchen Fällen (während meiner Zeit als Ansprechpartner für die Sozialversicherung) dann immer mit der involvierten Kasse gesprochen. Und eins kannst Du mir auch glauben, ich haben jeden Fall danach ohne mullen und knullen (ohne vorherige Anzeige) reinbekommen. Es waren zahlreiche Fälle.

Es liegt vermutlich daran, wieviel Kampfgeist der Poster und das involvierte Jobcenter (als Meldestelle) hat.

Jenes ist alles.

alib
Beiträge: 3
Registriert: 18.07.2012, 17:03

Beitragvon alib » 18.07.2012, 23:54

mein Kampfgeist ist gestärkt, dank Euch!
Morgen sehe ich wie es weiter geht und werde es hier verkünden. Wahrscheinlich werden dann weitere Fragen aufgeworfen.
Noch eine Anmerkung: Mein Auslandsaufenthalt ist geklärt. Die Forderungen werden erst seit Rückkehr nach Deutschland gestellt.

Mal schauen wie sich alle Beteilligten verhalten werden.
Ich sehe auf jeden Fall wieder Licht am Ende des Tunnels!

Vielen Dank für die tolle Hilfe!

Grüße

alib


Zurück zu „Allgemeines GKV“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: Bing [Bot] und 14 Gäste