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freiwillig GKV oder pflichtversichert

Verfasst: 24.11.2008, 19:46
von Smirlon
Eine Bekannte arbeitet als Putzfrau, geringfügig beschäftigt. Da ein Job finanziell nicht ausreicht, hat sie zwei davon, wird dadurch aber sozialversicherungspflichtig, da sie (in beiden Jobs zusammen) knapp über 400 Euro verdient. Auf diese Weise ist sie krankenversichert (GKV).

400 Euro reichen aber zum Leben nicht aus, soviel zahlt sie allein schon an Miete für eine 30m²-Wohnung. Neue Jobs sind nicht zu finden, weil die Arbeitgeber nur Personen auf Minijob-Basis einstellen wollen, um die Sozialversicherungsbeiträge zu sparen. Also hat sie sich selbständig gemacht und ein Reinigungsgewerbe angemeldet. Jetzt arbeitet sie bei weiteren "Arbeitgebern" auf Rechnung (parallel zur unselbständigen Tätigkeit) und verdient weitere 500 Euro mtl. dazu. Bei einer 60 Std.-Woche würde das nun gerade zum Leben reichen ...

Tja, wenn nicht die GKV nun von ihr forderte, dass sie sich als "Selbständige" versichert, weil die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit die aus unselbständiger Tätigkeit übersteigen. Wenn ich das richtig verstanden habe, handelt es sich um eine freiwillige Versicherung in der GKV.

Ihr Beitragssatz bemisst sich jetzt nicht prozentual am Einkommen, sondern wird pauschal an "Einkommensstufen" berechnet. Das Einkommen liegt bei unter 1800 Euro (niedrigste Stufe), deshalb muss ein mtl. KV-Beitrag von 311 Euro (incl. PV) gezahlt werden.

Hier stellen sich mir die ersten Fragen:
1. Kann es angehen, dass man über 1/3 seines Brutto-Einkommens für die Krankenversicherung aufwenden muss?
2. Wieso muss sich jemand, der bereits krankenversichert ist, parallel dazu nochmals versichern?


Wenn ich das ganze richtig verstanden habe, müsste jemand, der nur selbständig tätig ist und keine sonstigen Nebeneinkünfte hat, bei einem fiktiven monatlichen Einkommen von 300 Euro ebenfalls 311 Euro an KV-Beiträgen leisten.

3. Wie kann es angehen, dass Krankenversicherungsbeiträge höher sind als das erzielte Einkommen?

Nachdem meine Bekannte die GKV mit dieser Widersprüchlichkeit konfrontierte, erhielt sie zunächst die Auskunft, dass die KV-Beiträge der beiden Arbeitgeber auf den von ihr zu zahlenden Beitrag (311 Euro) angerechnet würden und die Arbeitgeber die KV-Beiträge nicht mehr an die GKV zu zahlen hätten, sondern an meine Bekannte. Entsprechende Schreiben der GKV wurden ihr zur Vorlage bei den Arbeitgebern ausgehändigt.

Ein Arbeitgeber hat daraufhin aufgrund des Schreibens der GKV die KV-Beiträge an meine Bekannte ausgezahlt.

Der andere Arbeitgeber behauptet , das sei alles Unsinn, was die GKV schreibt, und es bestünde keine Verpflichtung, KV-Beiträge an meine Bekannte auszuzahlen. Es bestünde darüber hinaus jetzt auch keine Verpflichtung mehr, KV-Beiträge an die GKV abzuführen, da meine Bekannte sich freiwillig in der GKV versichert habe. Dieser Arbeitgeber hat daraufhin seine Zahlungen an die GKV eingestellt (zahlt aber auch nicht an meine Bekannte).

Meine Bekannte hat nun die GKV mit der Weigerung des zweiten Arbeitgebers konfrontiert. Darauf sagte eine andere Stelle der GKV, dass das, was die GKV zuerst gesagt hatte, alles falsch sei und der zweite Arbeitgeber keine Beiträge an meine Bekannte auszahlen müsse. Im Gegenteil: Sie müsse die bereits erhaltenen Beiträge des ersten Arbeitgebers wieder an diesen zurückzahlen.

Dieses Verhalten wirft weitere Fragen auf:
4. Warum werden KV-Beiträge aus nichtselbständiger Arbeit nicht auf die Beiträge aus selbständiger Arbeit angerechnet?
5. Warum sind Arbeitgeber (bei unselbständiger Arbeit) nicht mehr verpflichtet, ihren Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen (hier KV) an die GKV abzuführen?


Es wäre schön, wenn jemand passende Antworten wüsste und vielleicht noch ein paar sonstige Tipps und Hilfestellungen geben könnte.

Verfasst: 24.11.2008, 21:00
von Rossi
Das ganze Theater ist dadurch angefangen, dass Deine Bekannte ein Gewerbe angemeldet hat.

Durch die Gewerbeanmeldung unterstellt die Krankenkasse nämlich, dass Deine Bekannte hauptberuflich selbständig ist. Und dann geht es nämlich los.

Im Falle einer hauptberuflichen Selbständigkeit sind automatisch alle anderen Beschäfitungen gegen Arbeitsentgelt versicherungsfrei.

Dieses ergibt sich aus § 5 Abs. 5 SGB V:

(5) Nach Absatz 1 Nr. 1 oder 5 bis 12 ist nicht versicherungspflichtig, wer hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist.


Die anderen Beschäftigungen sind zwar grundsätzlich nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungspflichtig, aber durch die Bestimmungen des § 5 Abs. 5 SGB V (hauptberufliche Selbständigkeit) wird diese Versicherungspflicht wieder beseitigt.

Jetzt kommt es entscheidend darauf an, wie die Bekannte versichert ist. Spielen wir das Spielchen mit der freiwilligen Kv mal durch.

Dadurch, dass die Bekannte nicht im Rahmen der Beschäftigung versicherungspflichtigt ist (hauptberuflich selbständig) muss der Arbeitgeber auch keine Beiträge vom Lohn einhalten und an die KV zahlen.

Das dürfte meines Erachtens fakt sein.

Da Deine Bekannte auch nicht durch die Beschäftigungen gegen Arbeitsentgelt oberhalb der JAEG liegt, kann sie auch keinen Beitragszuschuss für die Krankenversicherung von den Arbeitgebern (Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt) erhalten (vgl. § 257 SGB V).


Boah, total verzwickte Situation.

Die Beitragsbemessung für die freiwillige KV richtet sich in erster Linie nach der Satzung der KV und nach § 240 SGB V.

Grundsätzlich werden hauptberuflich Selbständige mit einem monatlichen Einkommen von 3.600,00 Euro eingestuft. Unser lieber Gesetzgeber geht leider davon aus, dass alle Selbständigen reich sind.

Auf Nachweis werden dann nur 1.800,00 Euro berücksichtigt, obwohl man vielleicht tatsächlich weniger verdienst; das ist den meisten Kv´en Schnuppe.

So, jetzt gibt es allerdings noch ne Möglichkeit, die sog. beitragspflichtige Einnahme auf 1.225,00 Euro herunter zu schrauben. Das ist allerdings eine absolute Mindestgrenze, auch wenn das Einkommen de facto drunter liegt. Bei dieser Herabsetzung wird allerdings die Gesamtsituation der Familie bzw. der Personen, mit denen Deine Bekannte in einer sog. Bedarfsgemeinschaft lebt, berücksichtigt. Ferner wird nicht nur das Einkommen, sondern auch das Vermögen berücksichtigt.

Mein Tipp; sehe zu, dass die Tätigkeiten aus dem Reinigungsgewerbe (Selbständigkeit), de facto unterhalb von 18 Stunden wöchentlich liegen. Und am besten noch unterhalb der Einkünfte aus den Beschäftigungen gegen Arbeitsentgelt.

In dieser Konstellation ist Deine Bekannte dann nämlich nicht mehr hauptberuflich selbständig; sie braucht sich nicht mehr freiwillig versichern und ist durch die Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt versicherungspflichtig. Dann müsste das Theater am Ende sein.

Aber gehe mal davon aus, dass die Krankenkasse dort heftig puhlen wird.

Auch hauptberuflich Selbständige, die...

Verfasst: 24.11.2008, 21:57
von GS
... nebenbei als Arbeitnehmer beschäftigt sind, haben Anspruch auf den Arbeitgeberanteil zu ihrer Krankenversicherung. Das gilt selbst dann, wenn sie privat vollversichert sind.

Du hast insoweit recht, dass sie in diesem Fall (zurzeit noch) nicht versicherungspflichtig sind, aber wenn sie versichert sind, muss der Arbeitgeber auch löhnen.

Der 2. Arbeitgeber hat nicht nur keine Ahnung, sondern offenbar auch keinen Anstand, denn selbst wenn er nicht löhnen müsste, we würde es ihm denn verbieten außer vielleicht seine Frau.

Quelle folgt.

Gruß von
Gerhard

Verfasst: 24.11.2008, 22:21
von Rossi
Öhm, GS, bist Du sicher???

... nebenbei als Arbeitnehmer beschäftigt sind, haben Anspruch auf den Arbeitgeberanteil zu ihrer Krankenversicherung.


Du weisst doch, ich studiere die einschlägige Rechtslektüre und die sagt mir etwas anderes.

§ 257 SGB V Beitragszuschüsse für Beschäftigte

(1) Freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei sind, erhalten von ihrem Arbeitgeber als Beitragszuschuß die Hälfte des Beitrags ....


Und dat passt irgendwie mit der einschlägigen Rechtslektüre nicht.

Da kann man machen, was man will.

Oder hast Du da andere Info´s!

Vorhin ...

Verfasst: 24.11.2008, 23:03
von GS
... war ich noch sicher, jetzt nicht mehr.
Das mit der "keinen Ahnung" hole ich von dem 2. Arbeitgeber zurück und kleide mich die nächsten Tage selbst damit ein.:pb:

Genau der Nebensatz, den du oben unterstrichen hast, den habe ich offenbar immer übersehen. Jedenfalls weiß ich von etlichen Fällen, in denen der Zuschuss problemlos läuft. So wie ich das jetzt sehe, darf er auch laufen, aber wohl nicht steuer- und abgabenfrei.

Gruß von
Gerhard

Verfasst: 25.11.2008, 11:52
von Smirlon
Danke erstmal für die schnelle und umfassende Antwort.

Meine Bekannte wird wohl nicht dem Vorschlag folgen können, den Umfang der selbständigen Tätigkeit soweit zu reduzieren, dass er zeitlich unter dem der unselbständigen Tätigkeit liegt, denn das würde heißen, dass das Einkommen nicht mehr zum Lebensunterhalt reicht.

Da bleibt ihr dann wohl nur, ihre selbständige Tätigkeit um 300 Euro auszudehnen, damit sie von dem Mehrverdienst diese utopisch hohe KV zahlen kann. Das wären dann allerdings 20 Wochenstunden Mehrarbeit, so dass sie den bisherigen Arbeitsaufwand von 60 Wochenstunden auf 80 Wochenstunden hochschrauben müsste. Und das nur für die Krankenversicherung, weil es irgendwelche blöden Regeln gibt, die sich nicht am Verdienst orientieren, sondern Pauschalen vorschreiben?

80 Wochenstunden sind immerhin 2 Vollzeitarbeitsplätze und sie arbeitet jetzt schon jeden Tag, einschließlich Samstag und Sonntag.

[-(