rückwirkende Beitragsfestsetzung verursacht durch KK

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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titan
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rückwirkende Beitragsfestsetzung verursacht durch KK

Beitragvon titan » 01.05.2009, 17:55

Moin,

ich bin freiwillig versichert und muss meine Beiträge selbst überweisen.
Ich habe aus den anderen - übrigens sehr informativen - Beiträgen hier im Forum gelernt, dass die KK Beiträge rückwirkend einfordern kann, wenn die Ursache bei mir als Versichertem liegt (keine, falsche Angaben, ...).

In diesem Falle jedoch liegt die Sache etwas anders: Es hat sich bei mir nichts verändert: Lediglich die veränderte Gesetzeslage seit 01.01. schafft ja einen anderen Beitrag.
Die KK hat es versäumt, mir diesen neuen Beitrag (basierend auf derselben Einkommenshöhe wie im Vorjahr) rechtzeitig mitzuteilen.
Jetzt erst erhalte ich ich eine Mitteilung "... Ihr Beitrag beträgt seit 01.01. .... Es ergibt sich ein Fehlbetrag von ..., den Sie bitte bis ... überweisen".

Damit findet hier eine rückwirkende Beitragserhöhung statt, die meines Erachtens so gar nicht zulässig ist - oder gibt das Gesetz den Krankenkassen quasi einen Freibrief zu "beliebiger Schlampigkeit" und damit die Gelegenheit, Beiträge zu beliebigen Zeitpunkten ein-/nachzufordern?

Wie sehen das dier Erfahreneren hier?

Danke und
viele Grüße
titan

Rossi
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Beitragvon Rossi » 01.05.2009, 19:23

Rückwirkend geht meines Erachtens defintiv nicht.

Ich gehe mal davon aus, dass Du bisher immer einen Beitragsbescheid bekommen hast, richtig?

Dieser Beitragsbescheid stellt einen sog. Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Um jetzt einen höheren Beitrag einfordern zu können, muss der alte Bescheid aufgehoben werden. Dieses hat die Kasse jetzt wohl gemacht.

Grundsätzlich ist gem. § 48 SGB Abs. 1 Satz 1 X ein Dauerverwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben. Zukunft bedeutet ab dem Datum des Bescheides kann die Kasse mehr fordern.

Unter gewissen Umständen soll der Bescheid auch rückwirkend aufgehoben werden. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, dann könnte die Kasse auch rückwirkend fordern. Es gibt hier 4 Tatbestände.



1. eine Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt


Wenn der Beitrag sich verringern würde, müsste man es rückwirkend machen. Passt aber hier nicht; die Kasse will mehr!

2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

Passt auch nicht; Du hast alles mitgeteilt!

3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder

Passt auch nicht; die beitragspflichtige Einnahme ist gleich geglieben.

4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.



Nur unter diesen Voraussetzungen kann die Kasse rückwirkend fordern. Sie müsste Dir nachweisen, dass Du gewusst hast mehr Beiträge zahlen zu müssen.

Es wurde mal ein Fall vor dem BSG verhandelt; da wollte ne Kasse von einem Richter auch rückwirkend höhere Beiträge haben. Er ist bis zum BSG marschiert und hat Recht bekommen; rückwirkend ging es nicht!!

Czauderna
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Re: rückwirkende Beitragsfestsetzung verursacht durch KK

Beitragvon Czauderna » 02.05.2009, 12:29

titan hat geschrieben:Moin,

ich bin freiwillig versichert und muss meine Beiträge selbst überweisen.
Ich habe aus den anderen - übrigens sehr informativen - Beiträgen hier im Forum gelernt, dass die KK Beiträge rückwirkend einfordern kann, wenn die Ursache bei mir als Versichertem liegt (keine, falsche Angaben, ...).

In diesem Falle jedoch liegt die Sache etwas anders: Es hat sich bei mir nichts verändert: Lediglich die veränderte Gesetzeslage seit 01.01. schafft ja einen anderen Beitrag.
Die KK hat es versäumt, mir diesen neuen Beitrag (basierend auf derselben Einkommenshöhe wie im Vorjahr) rechtzeitig mitzuteilen.
Jetzt erst erhalte ich ich eine Mitteilung "... Ihr Beitrag beträgt seit 01.01. .... Es ergibt sich ein Fehlbetrag von ..., den Sie bitte bis ... überweisen".

Damit findet hier eine rückwirkende Beitragserhöhung statt, die meines Erachtens so gar nicht zulässig ist - oder gibt das Gesetz den Krankenkassen quasi einen Freibrief zu "beliebiger Schlampigkeit" und damit die Gelegenheit, Beiträge zu beliebigen Zeitpunkten ein-/nachzufordern?

Wie sehen das dier Erfahreneren hier?

Danke und
viele Grüße
titan


Hallo,

ich sehe das eigentlich auch so wie Rossi es beschrieben hat.
Aufhebung des alten Bescheides und neuer Berscheid, gültig für die Zukunft, also keine Nachforderung.
Ich würde Widerspruch einlegen (schriftlich) und auf den Rechtsweg verweisen, also einen klagefähigen bescheid einfordern für den Fall dass dem Widerspruch nicht stattgegeben wird.
Dann könnten die Chancen gut stehen.
Wenn sich allerdings die Kasse auf den Standpunkt stellt "Lass ihn klagen", dann kann es dauern.
Der von Rossi zitierte Fall kann zwar Anhaltspunkt sein, kann aber genau so als "Einzelfall" gewertet werden dessen Einzelheiten eben nicht auf deinen Fall passen.
Ich hatte solche Fälle schon öfters (ging aber dort meistens um Leistungen).
Gruß
Czauderna

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Beitragvon Rossi » 02.05.2009, 15:37

@Czauderna; vielen Dank, dass Du meine bescheidene Auffassung trägst.


Jooh, der Richter, der vor´s BSG zog, war natürlich nur ein Einzelfall.

Aber hier ging es explizit darum, ob es sich bei dem Beitragsbescheid um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (§ 48 SGB X) handelte, oder nicht. Und jenes wurde klipp und klar festgestellt. Und genau aus diesem Grunde waren auch die manchmal so schönen Verfahrensvorschriften einzuhalten.

Aber ist natürlich nur meine bescheidene Auffassung.


Ach ja, auch wenn Du jetzt Widerspruch gegen die rückwirkende Erhöhung einlegst, musst Du erst einmal löhnen. Es sei denn, Du beantragst die Aussetzung der Vollziehung für die Nachzahlung. Diesen Antrag kannst Du bei der Krankenkasse oder direkt beim zuständigen Sozialgericht stellen. Allerdings müssen hierfür ernsthafte Zweifel an der Rechtmässigkeit des Beitragsbescheides bestehen.

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Beitragvon titan » 03.05.2009, 19:40

Moin,

danke erst mal für Eure Antworten, die meine Auffassung im Wesentlichen bestätigen.

Es gibt jedoch einen Punkt, der sich in/unter Rossi's #4 findet: Natürlich wusste ich, dass zu erwarten ist, dass ich mehr zahlen muss - die Gesetzesänderung zum Jahresbeginn ist ja nicht so überraschend gekommen, dass man sich darauf nicht hätte einstellen können - seit Anfang Dezember habe daher täglich mit Post entsprechenden Inhalts von der KK gerechnet. Umso weniger ist nachvollziehbar, dass die Kasse hier solange gewartet hat.

Problem: Ich erwarte hier durchaus, dass diese KK eine Klage abwartet - und mir ist nicht geholfen, wenn ich auf jeden Fall zahlen muss und dann erst klagen kann (d.h. ich habe kein Mittel, um die KK zu "motivieren", ihren Job gut und rechtzeitig zu tun...). Mal sehen, wie die Reaktion auf mein Schreiben ausfällt.

Halte Euch auf dem Laufenden.

Viele Grüße
titan

Rossi
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Beitragvon Rossi » 03.05.2009, 20:24

Ich habe noch einmal drüber nachgedacht. Nr. 4 passt hier auch nicht, da man es sehr wörtlich nehmen muss.

Nach Nr. 4 ist Voraussetzung, daß der Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die Vorschrift ist wichtig für alle Fälle, in denen über die Einkommenserzielung (Nr. 3) hinaus Ansprüche zum Ruhen kommen oder wegfallen (z.B. bei Auslandsaufenthalt eines Krankenversicherten nach § 16 SGB V)

Eine Beitragserhöhung führt definitiv nicht, so wie es der Wortlaut der Bestimmung erfordert zum Ruhen der Krankenversicherung oder zum teilweisen Wegfall.

Also, passt Nr. 4 hier auch nicht!

Ist natürlich meine bescheidene Auffassung.

titan
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Beitragvon titan » 04.05.2009, 11:49

Moin,

Danke!

Jetzt bin ich gespannt auf den Schriftwechsel mit der Kasse.

Und für Euch: stay tuned ...

Gruß
titan

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Beitragvon Rossi » 04.05.2009, 18:51

Nicht nur Du sondern auch ich bin gespannt!

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Beitragvon titan » 29.12.2010, 14:12

Moin zusammen,

lange habe ich Euch warten lassen auf meine Antwort - Danke für die Geduld.

Lange hat's auch gedauert, weil ich immer noch mit 'ner (Re-)Aktion der KK gerechnet hatte, die ich einfließen lassen wollte - aber da kam nichts.

Also noch kurz für Euch zum Nachvollziehen:
Ich habe die KK ohne besondere Form angeschrieben und die rückwirkende Wirksamkeit der Beitragsanpassung als rechtlich unzulässig (weil nicht durch mich verursacht) und damit unbegründet zurückgewiesen, ab dem nächsten Fälligkeitstermin die dann fälligen Beiträge gezahlt.

Ich habe es nicht glauben können, aber bis heute (wer eine Beitragsanpassung zu spät einfordert braucht ja wahrscheinlich auch ziemlich lange für "weiterer Schritte") habe ich noch keine weitere Zahlungsaufforderung für die rückwirkend geforderten Beiträge erhalten ...

Viele Grüße
Titan


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