Freiwillig versichert - plötzlich 150% mehr Beitrag ?

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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jessy
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Freiwillig versichert - plötzlich 150% mehr Beitrag ?

Beitragvon jessy » 19.04.2011, 14:44

Hallo,

vor wenigen Tagen habe ich ein Schreiben meiner GKV erhalten, wo ich freiwillig versichert bin. Danach müsste ich jetzt von heut auf morgen einen Beitrag zahlen, der mehr als doppelt so hoch ist als bisher. Grund dafür ist die Berufung auf neuere Bestimmungen des Verbandes der Krankenkassen, nach denen nun, anders als vorher, nicht nur meine eigenen Einnahmen, sondern auch die meines Ehemannes berücksichtigt werden sollen, da dieser privat versichert ist.

Zur Geschichte:

Bis 1995 war ich mit meinem Mann privat versichert. Wegen Wiederaufnahme einer Beschäftigung wurde ich dann versicherungspflichtig und blieb dies bis zum Renteneintritt 2005. Zu dem Zeitpunkt haben wir dann gründlich überlegt, dass ich entweder wieder in die PKV wechsle (Anwartschaft bestand noch) oder mich in der GKV freiwillig weiter versichere. Wegen der auch damals schon vorhandenen Möglichkeit, dass Krankenkassen bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter das Einkommen des Ehepartners einbeziehen, habe ich die Kasse um eine verbindliche Auskunft hierzu gebeten. Daraufhin hat man mir schriftlich ausdrücklich bestätigt, dass nur das eigene Einkommen, ggf. die Mindestbemessungsgrenze, nicht aber das Einkommen des Ehegatten, berücksichtigt werden.

Diese Auskunft war für uns entscheidungserheblich und hat mich veranlasst, die GKV zu wählen und die private Anwartschaft aufzugeben.

Und nun das; die GKV beruft sich nun auf die auch für sie geltenden neuen Vorschriften, die nach meiner Recherche auch keine passendenn Übergangs- oder Vertrauensschutzregelungen enthalten. Hätte ich damals gewusst oder auch nur geahnt, dass diese Regelungen geändert werden, hätte ich anders entschieden. Der Betrag, um den damals die GKV günstiger war, um diesen Betrag wird sie nun teurer als das, was ich jetzt für die PKV zahlen müsste.

Werden hier Möglichkeiten gesehen oder sind irgendwelche Entscheidungen bekannt, die in einem solchen Fall, z.B. wegen Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten, hilfreich sein könnten?

Danke im Voraus.

jessy

Paul1
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Beitragvon Paul1 » 19.04.2011, 15:18

Ich vermute, du hast leider schlechte Karten.
Wenn Steuern erhöht werden, kann man sich ja auch nicht drauf berufen, dass sie vorher niedriger waren.
Um die erhöhten Beiträge aufgrund geänderter gesetzlicher Vorgaben wirst du also nicht rumkommen.
Allenfalls bestehen Schadensersatzansprüche, die die Mehrhöhe der Beiträge ausgleichen, wenn du in dem damaligen Schreiben bestätigt bekommen hast, dass das EK deines Mannes auch zukünftig sicherlich niemals angerechnet werden würden. Aber am Mangel einer solchen Auskunft dürfte es scheitern, vermute ich...

heinrich
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Beitragvon heinrich » 19.04.2011, 21:06

dies Regelung, dass bei allen KK gleich zu berechnen ist, gibt es seit 01.01.2009.

Da hast Du Glück, wenn die KK erst jetzt den Beitrag anhebt und dies nicht schon am 01.01.2009 oder im Laufe des Jahres 2009 bei der nächsten Einkommensüberprüfung nach dem 01.01.2009 (also zum Zeitpunkt, wo man nach Beantwortung der Einkommensanfrage die Akte ermals in die Hand nahm).

Vetrauensschutz: klares NEIN

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Beitragvon DKV-Service-Center » 19.04.2011, 21:13

diese Regelung kenne ich vom sogenannten Hausfrauenbeitrag bei einer eigenen Freiwilligen Versicherung ist mir das neu
Gruß

Rossi
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Beitragvon Rossi » 20.04.2011, 22:06

Na ja, der sog. Spitzbubenverband (Spitzenverband Bund der Krankenakssen), der irgendwelche einheitlichen Grundsätze für die Beitragsbemessung verzapft hat.

Jenes wird Dir jetzt zum Verhängnis und Du sollst 150 % mehr löhnen.

Es gab schon einige Kunden, die sich sogar erfolgreich gegen diese einheitlichen Grundsätze gewehrt haben.

Es hat nämlich den Anschein, dass dieser Spitzbubenverband zu diesem mächtigen bzw. Mega-Werk der einheitlichen Grundsätze überhaupt nicht befugt ist, bzw. gewisse Formalien nicht eingehalten wurden. Wenn man etwas in einer Selbstherrlichkeit herausgibt ohne sich offizielle Rückdeckung (durch Satzung) zu holen, dann muss man sich nicht wundern, wenn es in den Bach hinunter geht.

Guckst Du hier:




http://www.anwalt24.de/beitraege-news/newsticker/sozialversicherung/beitragsverfahrensgrundsaetze-selbstzahler-lsg-zweifelt-rechtmaessigkeit-an-199893

Beitrag Nr. 199893 vom 20.04.2011

Die Beitragsbemessung muss aufgrund eines formellen Gesetzes erfolgen. Dies war nur nach der bis 31.12.2008 geltenden Rechtslage der Fall, wonach die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder durch die Satzung der Krankenkassen zu regeln war. Dabei war es notwendig aber auch ausreichend, dass die Satzung eine Generalklausel zur Beitragsbemessung vorsah, um neben den im Gesetz genannten beitragspflichtigen Einnahmen der versicherungspflichtigen Beschäftigten auch andere Einnahmen der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Diese Qualität besitzt die Neuregelung der §§ 240, 217e Abs. 2 SGB V in Verbindung mit den vom Vorstand des GKV-Spitzenverbandes erlassenen Beitragsverfahrensgrundsätzen Selbstzahler nicht. Die Beitragsverfahrensgrundsätze wurden weder als Satzung noch durch das zur Rechtssetzung berufene Organ des Spitzenverbandes Bund erlassen. Sie wurden vielmehr formlos durch das Exekutivorgan in Gestalt des Vorstands des GKV-Spitzenverbandes beschlossen.

Der Beschluss des hessischen LSG (L 1 KR 327/10 B ER) ist rechtskräftig geworden, sodass es zumindest in dem vorliegenden Streitfall nicht zu einer höchstrichterlichen Entscheidung vor dem Bundessozialgericht kommen wird. Es zeichnet sich mit dem vorliegenden LSG-Beschluss aber deutlich die Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Klarstellung ab, um Rechtssicherheit für Mitglieder und Kassen zu erlangen.

Hier hast Du den Beschluss hierzu:



https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=139652&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive

Wenn man diesem Beschluss folgt, dann kann man bei Dir das Ehegatteneinkommen nicht berücksichtigen, weil es nicht im Gesetz steht und die einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung nicht herangezogen werden können.

Würde dann bedeuten, dass Du - da kein eigenes Einkommen - nur den Mindestbeitrag von ca. 140,00 Euonen löhnen musst.

Aber eins kann ich Dir schon jetzt verraten; ein Telefongespräch wird hier nicht zum Erfolg führen.

Du musst klagewillig sein, weil die Kasse ganz anders denkt!

Wie die Klamotte dann ausgeht, bleibt natürlich offen.

Rossi
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Beitragvon Rossi » 20.04.2011, 22:28

Ach ja, Du kannst es genau so machen, wie es der Betroffene in dem Verfahren vorm LSG Hessen gemacht hat.

Lege Widerspruch ein und beantrage die Aussetzung der sofortigen Vollziehung der 150%-tigen Erhöhung zunächst bei der Kasse.

Die Kasse wird hierauf natürlich nicht reagieren, weil irgendwelche Weisungen von oben bei den Kassenmitarbeitern immer offensichtlich einen Gesetzescharakter haben. Wenn die Kassenmitarbeiter etwas schwarz auf weiß haben, dann ist es Kult.

Dann gehst Du nach Ablauf einer Frist von 14 Tagen hin und beantragst die Aussetzung der sofortigen Vollziehung beim zuständigen Sozialgericht. Du berufst Dich auf die Entscheidung des LSG Hessen und hast natürlich ernsthafte Zweifel an diesem 150%-tigen Beitragserhöhungsbescheid.

Sorry, der Rossi kocht den Tee auch nur mit Wasser. Aber ich würde es hier definitiv probieren. Es kommt auf den Richter an!

Je mehr Betroffene sich dagegen wehren, um so eher reagiert evtl. der Spitzbubenverband und schafft Rechtssicherheit, oder lässt es in seiner Selbstherrlichkeit sein und bekommt nach Jahren ggf. etwas vom BSG um die Bummelbacken.

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Beitragvon Czauderna » 21.04.2011, 07:41

Hallo,

natürlich bleibt weiterhin, trotz dieser guten Vorschläge, "die Klamotte weiterhin offen" und weil du neu hier bist, den "Spitzbubenverband", den gibt es nicht, das ist eine Wortschöpfung.
Gruss
Czauderna

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Beitragvon Rossi » 26.04.2011, 00:41

Na wunderbar Günter

trotz dieser guten Vorschläge, "die Klamotte weiterhin offen"


Jetzt komme ich mal mit der echten und unechten Rückwirkung von Gesetzen und Satzungen um die Ecke.

Was glaubst Du wohl - lieber Günter - wenn das BSG in paar Jahren entscheidet, dass die Regelungen des Spitzbubenverbandes nicht formal richtig waren!

Kann dann der Spibu in seiner Selbstherrlichkeit einfach rückwirkend formal richtig eine neue Satzung eintscheiden, damit all den Betroffenen die Kohle aus der Tasche herausgezogen wird?

Ross sagt: nöh, dat geht nicht rückwirkend, sondern allenfalls für die Zukunft! Damit haben die Betroffenen in diesem rechtsleeren Raum klipp und klar einen Vorteil.

Was sagt Günni dazu?

Es geht hier um echte bzw. umechte Rückwirkungen zu Lasten der Betroffenen!?

Czauderna
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Beitragvon Czauderna » 26.04.2011, 08:21

Hallo Rossi
Habe ich dir wiedersprochen?
Ich habe dir zugestimmt, dass die "Klamotte"
noch am laufen ist und nur bemerkt,
Dass der "Spitzbubenverband" eine
Wortschoepfung darstellt.
Von der Sache her doch alles okay
Gruss
Guenter

Rossi
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Beitragvon Rossi » 26.04.2011, 23:50

Nun denn, Günter!

Ich gerate derzeit wirklich ins grübeln.

Es ist ja nun nicht die erste sozialgerichtliche Entscheidung, die die einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung des Spibus in Frage stellt. Tja und alles nur, weil gewisse Formalitäten nicht eingehalten wurden.

Warum geht der Spibu denn nicht im Schweinsgalopp hin und macht es dann 100%-tig wasserdicht, indem er sofort eine entsprechende Satzung durch den Vorstand erlässt?

Liegt es an der Selbstherrlichkeit des Spibus?

Ich persönlich kann es nur im Sinne der Betroffenen begrüssen, wenn der Spibu sich dort nach Jahren vom BSG etwas einfängt und er einfach im Vorfeld nicht präventiv reagiert hat. Damit würden dem Gesundheitsfonds Millarden dann flöten gehen!

Wir arbeiten bei uns definitiv anders!

jessy
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Beitragvon jessy » 28.04.2011, 19:59

Hallo zusammen,

vielen Dank für die Tipps, vor allem an Rossi. Ich werde mal sehen, was sich in diese Richtung machen lässt. Wenn's nicht klappt, kann ich vielleicht noch überlegen, in eine private mit dem Basisschutz zu gehen, da ich nur 30% absichern muss. Aber diese Sache hat so ihre Tücken.

Gruß
Jessy


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