HILFE! Aus GKV herausgeflogen?!

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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Udsch
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HILFE! Aus GKV herausgeflogen?!

Beitragvon Udsch » 29.06.2007, 12:54

Hallo! Jemand, dem ich in behördlichen Sachen unterstütze ist nach Angaben seiner GKV schon seit langer Zeit dort nicht mehr versichert.

Sein früherer Arbeitgeber hat ihn jetzt erst dort abgemeldet (rückwirkend zum Februar 2004!). Die Versicherung meint nun, dass er seit diesem Zeitpunkt nicht versichert gewesen sei. Er bekommt eine Erwerbsminderungsrente und ergänzend Sozialhilfe, wobei die Rentenversicherung die ganze Zeit Beiträge an die KV entrichtet hat (nur eben scheinbar zu wenig).

Weiterhin sagt die KV, dass er von 1990-1995 gar nicht krankenversichert gewesen sei.

Aus all diesen Gründen sei er nun nicht mehr versichert und müsse die Leistungen, die er in den vergangenen Monaten in Anspruch genommen habe, zurückzahlen. Er habe die Möglichkeit, sich freiwillig dort weiter zu versichern (sind da nicht die Beiträge dann viel zu hoch für einen Sozialhilfeempfänger?)

Muss die Krankenkasse ihn nicht nach der Gesetzesänderung wieder ganz normal als Pflichtversicherten aufnehmen, unabhängig davon, ob er bei denen Schulden hat oder nicht?

Muss er sich überhaupt krankenversichern, solange das SA Beiträge zahlt? (m.E. liegt das im Ermessen des Sozialamtes, ob es das Risiko selbst tragen will oder Beiträge an die KV leistet)

Vielen Dank für jeden Hinweis!

Udo

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Beitragvon Frank » 18.07.2007, 18:10

Ist er nicht über die Krankenversicherung der Rentner versichert?

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Beitragvon Udsch » 19.07.2007, 09:31

Hallo Frank,

die Sache stellt sich immer noch sehr kompliziert dar und es stellte sich heraus, dass von mehreren Seiten einiges versäumt wurde. Weil das Beschäftigungsverhältnis endete, hätte er sich ab diesem Zeitpunkt freiwillig versichern müssen. Die Krankenkasse hat irgendwie nicht gemerkt, dass er eine Rente (volle Erwerbsunfähigkeit) erhielt, obwohl ein Kontakt zur Rentenversicherung scheinbar bestand. Du hast Recht, die Rentenversicherung hätte einen Anteil zahlen müssen, für die freiwillige(!) Weiterversicherung. Aus den Bescheiden geht auch hervor, dass ein Anteil (für die gesetzliche KV) abgeführt wird. Tatsächlich ist dieser Anteil angeblich nie bei der KK angekommen. Ich forsche diesbezüglich noch. Es sieht so aus, als hätte die RV diesen Anteil nirgendwohin bezahlt.

Aufgrund der geänderten Gesetzeslage konnte ich zum Glück eine Versicherung ab dem 1.4.07 erwirken. Die KK besteht aber immer noch auf der Forderung, dass die Beiträge für den vergangenen Zeitraum entrichtet werden (alternativ können die Behandlungskosten der vergangenen Monate gezahlt werden, die sind aber insgesamt ca. doppelt so hoch). Die Krankenkasse hat für die Vergangenheit ja scheinbar wirklich von keiner Seite Geld erhalten. Es sieht so aus, dass die nur einen Anteil (den Betrag, den die Rentenversicherung jetzt noch zurückzahlen muss) bekommen können, ansonsten besteht Mittellosigkeit. Aber da haben die ja z.T. selbst Schuld dran.

Weitere Schuld trifft natürlich die Rentenversicherung und den ehemaligen Arbeitgeber, sowie der Betroffene selbst, der angeblich von der Krankenkasse angeschrieben worden sei, nachdem er kurzfristig Arbeitslosengeld bezogen habe und diese Leistung eingestellt worden sei.

Jetzt ist es so, dass die RV einen höheren Anteil für die Krankenversicherung zahlen muss und einen ganz kleinen Eigenanteil der Betroffene selbst zu entrichten hat (übernimmt aber das Sozialamt). Das ist bei freiwillig Versicherten irgendwie so, wenn die Rente insgesamt nicht hoch genug ist.

Na ja, Hauptsache, er ist wieder versichert :o) ...nach stundenlangen Telefonaten und seitenlangem Briefverkehr mit mal mehr und oft weniger kooperativen und auskunftsfreudigen Ansprechpartnern...


Viele Grüße,
Udo

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Beitragvon Rossi » 20.07.2007, 14:50

Ooh, die Klamotte ist aber total durcheinander.

Ich gehe mal davon aus, dass Dein Bekannter nunmehr seit dem 01.04.2007 gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V pflichtversichert ist. Man nennt dieses auch die sog. Pflichtversicherung der Nichtversicherten. Sie kommt nur dann zum Tragen, wenn man nicht über eine Absicherung im Krankheitsfalle verfügt.

Tja, die Geschichte mit der rückwirkenden Beendigung der Versicherung ist natürlich ganz klasse.

Klar, Du kannst jetzt innerhalb von 3 Monaten -nach Kenntnis über die rückwirkende Beendigung der KV - einen Antrag auf freiwillige KV stellen. Die Krankenkasse kann Dich hierzu nicht zwingen, es ist Deine alleinige Entscheidung.

Falls Du diesen Antrag stellst, müssen natürlich auch die Beiträge dafür gelöhnt werden. Du könntest aber dann im gleichen Zug bei der RV einen Antrag auf einen Beitragszuschuss stellen. D. h. erst wird erst einmal die Kürzung der Rente (abgezogene Anteile für KV) nachgezahlt und zusätzlich wird in der gleichen Höhe der Kürzung ein Beitragszuschuss gewährt. Dieses geht max. für 4 Jahre rückwirkend. Du erhälst also dann den doppelten Kürzungsbetrag und könntest hiervon die freiwillige KV zahlen.

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Beitragvon Udsch » 20.07.2007, 15:57

Hallo Rossi,

vielen Dank für die Hinweise. Das klingt ja sehr spannend. Wenn ich das richtig verstanden habe gibt es einen Anspruch gegenüber der Rentenversicherung, einen Beitragszuschuss zu erhalten? Wenn ja, nach welchem Paragraphen? Wenn, dann kommt tatsächlich nur die freiwillige Versicherung für diese Zeit infrage. Die Krankenkasse hat grundsätzlich die Bereitschaft erklärt, ihn rückwirkend zu versichern, sofern rückwirkend auch die Beiträge gezahlt werden. Das Sozialamt hat dieses Anliegen begründet von sich gewiesen.

Dein Modell wär ja auf jeden Fall die optimale Lösung, da ja tatsächlich in der angeblich unversicherten Zeit so hohe Behandlungskosten aufgelaufen sind. Klasse, vielen Dank für deinen Beitrag. Den Antrag werde ich auf jeden Fall stellen. Falls du mir noch einen Paragraphen benennen kannst, wär ich um so dankbarer!

...bleibt nur die Frage, ob dann überhaupt die Pflichtversicherung ab April für "nicht versicherte" infrage kommt..., denn er wäre dann ja praktisch doch versichert gewesen... na ja, aber das ist dann ja wieder eher ein Problem der Krankenkasse
:roll:

VIELEN DANK !!!

Rossi
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Beitragvon Rossi » 23.07.2007, 19:48

Nun denn, die Rechtsgrundlage für den Beitragszuschuss findet sich in § 106 SGB VI.

Hier heisst es:

§ 106 Zuschuss zur Krankenversicherung


(1) Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, erhalten zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung. Dies gilt nicht, wenn sie gleichzeitig in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind.


Tja, wenn Du den Antrag auf freiwillige KV stellst, dann kommt die Pflichtversicherung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB ab dem 01.04.2007 nicht zum Tragen, da Dein Bekannter ja versichert ist.

Bezüglich des Beitragszuschusses und des zu zahlenden Beitrages an die KV bleibt so als kleine Eselsbrücke festzuhalten, dass falls die eigentliche Rente unterhalb von 816,97 Euro liegt (also Bruttorente ohne bisherigen Abzug für die KV), du einen Eigenanteil selber aufbringen musst. Liegt die Rente über diesen Beitrag von 816,97 Euro, kann man davon ausgehen, dass durch die Zahlung des Beitragzuschusses und der gleichzeitigen Aufhebung des Kürzungsbetrages nichts selber aufgebracht werden muss.

Was mich noch wundert, warum sich das Sozialamt so bedeckt hält und alles zurückweist.

Welchen Leistungen der Sozialhilfe wurden gewährt. Leistungen nach dem III. Kapitel oder nach dem IV. Kapitel des SGB XII?

Es gibt schliesslich noch den § 44 SGB X.

Hier heisst es:

Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts
(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht .


Der Sozialhilfebescheid ist hier insoweit nicht begünstigend, wie der Beitrag für die freiwillge KV nicht berücksichtigt wurde. Wenn Dein Bekannter Leistungen nach dem IV. Kapitel erhalten hat, dann ist diese Bestimmung anwendbar. Viele Sozialämter verwehren sich jedoch noch gegen diese Bestimmung. Es heisst immer, gelebt ist gelebt, niemals etwas für die Vergangenheit. Aber da gibt es schon zahlreiche Landessozialgerichte, die es anders sehen.


Oh weia, das wird mit Sicherheit noch ne spannende Geschichte, weil das Sozialamt vermutlich die Nachzahlung des Rententrägers (Beitragszuschuss und Aufhebung Kürzung KV-Beitrag) einsacken will.

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Beitragvon Udsch » 26.07.2007, 15:08

Hallo rossi,

Mann, du bist ja ne Goldgrube. Ich hatte das Geld schon abgeschrieben, weil das Sozialamt die Sache nicht übernehmen wollte. Ich ging davon aus, dass es rechtmäßig ist, weil ja im Moment im Prinzip keine Notlage vorhanden ist.

Na, einen Versuch ist es allemal wert, jetzt doch rückwirkend gegen den Bescheid anzugehen. Das werd ich gleich mal in Angriff nehmen. Allerdings kann ich mir denken, dass die Antwort erfolgen wird, dass Angaben unvollständig oder falsch gemacht wurden. Aber fahrlässig oder wissend ist das bestimmt nicht passiert. Gut, dass es zur Not auch Anwälte und Prozesskostenhilfe gibt...

Viele Grüße,
Udo

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Beitragvon Rossi » 27.07.2007, 01:50

Was - meines Erachtens - auf keinen Fall geht; der Sozialhilfeträger kassiert die Nachzahlung des Rententrägers (gekürzte Rente und Beitragszuschuss) und keine Berücksichtigung des freiwilligen KV-Beitrages.

Nun denn, es gibt noch immer Sachbearbeiter im Rahmen der Sozialhilfe, die in der Annahme sind, es seien deren persönlichen Gelder und sie sind die Sparfüchse der Nation!!!

Wir hatten kürzlich auch so einen Fall auf´n Tisch. Da haben wir die Beiträge auch rückwirkend berücksichtigt. Muss natürlich nicht richtig sein, aber wir haben versucht die Angelegenheit mit einem gesunden Menschenverstand zu lösen, mehr einfach nicht!!!

Rossi
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Beitragvon Rossi » 31.07.2007, 00:18

Ups, mir fällt da noch etwas ein.

Aus der Schilderung des Sachverhaltes habe ich entnommen, dass Dein Bekannter zumindest seit dem 01.04.2007 Leistungen nach dem SGB XII erhält.

Tja, jenes ist ein kleines Problem. Es gibt nämlich noch den § 5 Abs. 1 Nr. 8 a SGB V. Hier heisst es:

(8a) Nach Absatz 1 Nr. 13 ist nicht versicherungspflichtig, wer nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 versichert ist. Satz 1 gilt entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Satz 2 gilt auch, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen wird. Der Anspruch auf Leistungen nach § 19 Abs. 2 gilt nicht als Absicherung im Krankheitsfall im Sinne von Absatz 1 Nr. 13, sofern im Anschluss daran kein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht

Ich versuche mal den Krempel jetzt ein wenig zu übersetzen. Wenn dein Bekannter also am 01.04.2007 Sozialhilfe (zur Sicherung des Lebensunterhaltes) erhalten hat, dann fällt er nicht zum Personenkreis der sog. Pflichtversicherten der Nichtversicherten im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.

Der Gesetzgeber unterstellt in dieser Konstellation (laufender Leistungsbezug), dass ein ausreichender KV-Schutz über die Sozialhilfe vorhanden ist.

Die Entscheidung der Krankenkasse ist meines Erachtens insoweit nicht nachvollziehabr.

Jetzt aber hast ein kleines Trumpf-Ass im Ärmel.

Das Sozialamt kann sich entscheiden, ob es rückwirkend die Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung übernimmt, oder gar in Kauf nimmt, dass dein Bekannter ab dem 01.04.2007 nicht mehr versichert ist. Dann müsste nämlich das Sozialamt am dem 01.04.2007 alle Kosten im Falle der Krankheit übernehmen. Tja und das kann teuer werden!!!

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Beitragvon Udsch » 03.08.2007, 10:43

Super riesigen Dank, rossi. Bisher war ich noch nicht dazu gekommen, aber jetzt werde ich das entsprechende Schreiben mal aufsetzen. Wird wahrscheinlich eine Menge Wirbel verursachen :wink: Aber tatsächlich stecken die ja ganz schön in der Klemme und werden sich hoffentlich bereit erklären, nun die "läppischen" noch ausstehenden 1200,- zu zahlen.

Die Nachzahlung der Rentenversicherung hab ich jedenfalls schon gesichert, die wird demnächst auf sein Konto ausgezahlt.

Schön, mal einen vom Fach auf seiner Seiten zu haben :P Nochmal vielen Dank für deine Zeilen!!!

Viele Grüße,
Udo

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Beitragvon Rossi » 03.08.2007, 19:36

Ähm, wenn Du schon den Antrag auf freiwillige KV gestellt hast und auch der Beitragsbescheid vorliegt, dann wird sich das Sozialamt vermutlich quer stellen. Besser wäre es gewesen, wenn du es zuvor abgeklärt hättest!!!

Sofern aber Leistungen nach dem IV. Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei dauernder Erwerbsminderung) gewährt wurden, würde ich den Antrag gem. § 44 SGB X (Überprüfung) stellen. Mehrere Landessozialgerichte halten diese Bestimmung für anwendbar. Es ist zwar noch eine Entscheidung beim Bundessozialgericht anhängig, aber die Tendenz gibt deutlich dahin.

Wenn nur Leistungen nach dem III. Kapitel des SGB XII gewährt wurden, dann hast du schlechte Karten.

Die Rentenerhöhung musst du auf jedem Fall dem SA mitteilen.

Wenn alle Stricke reissen, dann musst du selber die fehlenden 1.200,00 Euro löhnen. Vermutlich wird dieses nicht möglich sein. Die Krankenkasse wird dann mit einer Leistungseinschränkung im Sinne von § 16 Abs. 3 a SGB V drohen (es gibt dann nur Leistungen in akuten Notfällen), der Rest ruht dann. Aber das ist dann auch nicht weiter tragisch. Dieses Ruhen entfällt, wenn du laufende Leistungen nach dem SGB XII erhälst. Trotz des Rückstandes in der freiwilligen KV ruhen dann die Leistungen nicht.


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