Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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Timber
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Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Timber » 13.03.2016, 15:53

Hallo alle zusammen!

Angenommen, ein seit vielen Jahren selbständig tätiges, freiwillig versichertes Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist von der KK als hauptberuflich Selbständiger eingestuft (Beitrag 375,84€/Monat). Seit vier Jahren erzielt er negative Einkünfte aus dieser Tätigkeit und ca. 8.000,-€ jährliche Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sind die einzige Einnahmequelle.

Hätte seitens der KK nicht bekannt sein müssen, dass wenn das Arbeitseinkommen aus der selbständigen Tätigkeit nicht Haupteinnahmequelle zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ist, es sich um ein Kriterium für eine Tätigkeit mit nebenberuflichem Charakter handeln kann? Da die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (kein Gewerbe) sogar die einzige Einnahmequelle sind, könnte anderweitiger Aufwand an Arbeitszeit da evtl. überhaupt noch relevant sein? Falls ja, hätte die KK dann nicht die fehlende Informationen zur aufgewendeten Arbeitszeit für die selbständige Tätigkeit (angenommen tatsächlich 12-15 Wochenstunden) monieren müssen? Es sei auch unterstellt, dem/der Versicherten war nicht bekannt, dass auch eine einzige ausgeübte Tätigkeit nebenberuflichen Charakter haben kann!

Allein schon aus der an die KK übermittelten ESt-Erklärung würde sich doch unschwer ergeben, dass hier eine klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit besteht (nämlich die Einstufung unter sonstige freiwillige Versicherte anstelle der geforderten Beiträge für hauptberuflich Selbständige), die so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde.

Könnte ein/e Versicherte/r nach dem obigen Fallbeispiel den Vorwurf erheben, dass die Krankenkasse ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflicht nicht nachgekommen ist und die Rückzahlung der unrechtmäßig erhobenen Beiträge fordern?

Ich freue mich auf sachkundige Hinweise.

Czauderna
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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Czauderna » 13.03.2016, 16:09

Hallo,
das sehe ich nicht so - nur weil ein Einkommensteuerbescheid und "Einnahmen aus Selbstäbndiger Tätigkeit oder Gewerbe" jedes Jahr einen Minusbetrag aufweist, heißt das noch lange nicht, das der Versicherte nicht mehr hauptberuflich selbständig ist. Es ist nicht Aufgabe der Kasse den Versicherten dahingehend zu beraten, seine hauptberufliche Selbständigkeit aufzugeben. Diese hauptberufliche Selbständige Tätigkeit wird von der Kasse nur zu deren Beginn und auf Antrag hin (Einkommensbezogene Einstufung)) geprüft, ansonsten eben nicht , denn grundsätzlich werden Die Versicherten so eingestuft wie sie es der Kasse gegenüber erklären und dann auch in die höchste Stufe - und auch dann ist es nicht die Aufgabe der Kasse den Versicherten regelmäßig einer Statusprüfung zu unterziehen - er muss noch nicht einmal regelmäßig sein Einkommen erklären.
Also, ich sehe in diesem Fall keinen Beratungsfehler seitens der Kasse sondern schlicht und einfach den Fehler auf Seiten des Versicherten - spätestens wenn im zweiten Jahr im Einkommensteuerbescheid ein Minus auftaucht muss ich mir doch mal selbst Gedanken ob das mit der Selbständigkeit noch so alles richtig läuft.
Gruss
Czauderna

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Rossi » 13.03.2016, 18:54

Sehe ich allerdings anders als Czauderna.

Bei hauptberulich Selbständigen gibt es andere Bemessungsgrundlagen, als bei den sonstigen bzw. nebenberuflich Selbständigen. Dies ist mal klipp und klar im Gesetz geregelt.

Die Kassen haben einen Amtsermittlungsgrundsatz. D. h., dass die Kassen den Sachverhalt prüfen muss und dann ggf. eine Entscheidung treffen muss. Im Gesetz, speziell in § 240 Abs. 4 SGB V steht nix davon, dass man einen Antrag stellen muss, ob man haupt- oder nebenberuflich ist. D. h., die Kasse muss machen, prüfen und selbstvertständlich aufklären und beraten. Ein Versteckspiel, ätshi bätschi; jenes hast Du aber leider nicht gemacht. gibt es im Sozialverischerungsrecht eben nicht. Die Feststellung ob jemand haupt- oder nebenberuflich selbständig ist, ist eine Statusfeststellung.

Es ist relativ einfach; Du bist ein rechtsunkundiger Versicherter; die geballte Fachkompetenz sollte bei den speziell ausgebildeten Mitarbeitern der Kasse liegen. Diese geballte Fachkompetenz besteht darin, dass man wachsam aufgrund des vermeintlichen Spezialwissen ist und die Betroffenen auf ihre Gestaltungsmöglichkeiten hinweist. Denn nur so funktioniert unser immer mehr kompliziert werdendes Sozialsystem. Dieser Spruch kommt jetzt nicht von mir, sondern vom Bundesozialgericht aus Kassel. Bei einigen Kassen ist dies noch nicht angekommen, wiel sie einfach vielleicht noch nicht wachsam sind oder gar im Rahmen eines Massengeschäftes viel zu viel zu tun haben. Dies ist die Ausgangslage.

Lange Rede und kurzer Sinn; stelle einen Antrag auf Überprüfung der Beitragshöhe und trage vor, dass Du ggf. seit geraumer Zeit eben nicht mehr hauptberuflich selbständig bist.


Vermeintlich zu hoch bzw. zu Unrecht gezahlte Beiträge erhälst Du für das lfd. Kalenderjahr zzgl. 4 weitere Kalenderjahre zurück.

Vermutlich wirst Du auf erheblichen Widerstand stossen. Dies ist nämlich meine becheidene Rechtsauffassung unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BSG, die in der Regel bei den Kassen ein Schattendasein führt.

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Aras » 13.03.2016, 19:43

Ich schließe mich hier eher Czauderna an. Auch wenn die Krankenkasse eine Beratungspflicht hat, kann es ja sein, dass diese vier Jahre in Folge negativen Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit geplante Investitionen oder sowas wie Einzahlungen in Einlagen des Unternehmens sind. Bzw. Rückzahlung von Krediten. Aus der Steuererklärung ist dies mE nicht herauszulesen. Ich sehe hier vielmehr die Verantwortung beim Selbstständigen bzw. seinem Steuerberater mögliche Tricks/legale Gestaltungsmöglichkeiten bei der Senkung der Ausgaben zu erkennen und zu nutzen.

Zumal diese negativen Einkünfte ja auch als Verlustvortrag deklariert werden können und in Zukunft mit dem möglichen Gewinn verrechnet werden. D.h. die Hauptberufliche Selbstständigkeit wäre trotz negativem Einkommen weiterhin da.

Also allein aufgrund der Tatsache, dass der Versicherte im Einkommenststeuerbescheid negative Einkünfte hat, bedeutet nicht, dass man darauf schließen kann, dass eine hauptberufliche Selbstständigkeit nicht mehr vorliegt.

Aber falls der Versicherte auf anderem Wege nachweist, dass er nicht hauptberuflich Selbstständig war, dann könnte das ggf. überprüft werden.

Wenn man böse ist, kann man das auch so interpretieren:
Der Versicherte hat eine langjährige Investition getätigt bzw. einen Verlust eingefahren. Diese Investition bzw. der Verlust hat sich nicht amortisiert. Jetzt versucht der Versicherte die 4 Jahre umzudeuten, um wieder einen Teil des Verlustes von der KK zurück zu bekommen.

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Czauderna » 13.03.2016, 19:49

Hallo Aras,
vielen Dank - ja, genau das waren auch meine Überlegungen.
Gruss
Czauderna

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Timber » 13.03.2016, 21:24

Vielen Dank an alle für die bisherigen Beiträge.

Ich folge der Argumentation von Rossi ganz und gar.
Was die Vermutung von Investitionen anbelangt wäre hier einmal zu unterstellen, dass seit 2012 der ESt-Bescheid in jedem Jahr die Vorauszahlung für ESt. und Solidaritätszuschlag auf 0,00 € festgesetzt hat. Das wird wohl kaum der Fall sein, wenn ordentliche Umsätze getätigt werden und alles investiert wird. Unterstellen wir mal dass bis 2011 ein ganz durchschnittliches Einkommen erzielt wurde, dann aber ein Minus von ca. 4.500 € und der/die Versicherte bereits über 60 Jahre alt ist.

Grundsätzlich bin ich der Meinung die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse ist keine vulgäre Geschäftsbeziehung, wo sich eine Partei über einen guten Deal freut, weil der anderen Partei einige Feinheiten nicht ganz klar waren. Wie ich schon erwähnte, hätte der/die Versicherte im Traum nicht daran gedacht, dass die einzige ausgeübte Tätigkeit nebenberuflichen Charakter haben könnte. Auf keiner Krankenkassenseite ist das Fallbeispiel eines/einer Versicherten mit nicht gewerblichen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (oder auch Kapitaleinkünften) gepaart mit nebenberuflicher selbständiger Tätigkeit zu finden. Daher muss m.E. die KK beraten, wenn wie im hier geschilderten Beispiel, nur eine einzige Einnahmequelle zur Verfügung steht und diese offensichtlich nicht aus selbständiger Tätigkeit resultiert.

Ist solcher Sachverhalt nicht gerade eine klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit, die wie der Gesetzgeber fordert eine Informationspflicht begründet, die so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde, nämlich hier die Einordnung unter sonstige freiwillig Versicherte.

Für die Krankenkassen ist doch ein erstes Kriterium, dass eine selbstständige Erwerbstätigkeit dann hauptberuflich ist, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt. Dass bei einem Sachkundigen allein aus den jährlich angeforderten Steuerbescheiden sofort weiterer Informationsbedarf resultieren müsste bzw. sich eine Informationspflicht begründet liegt doch eigentlich auf der Hand.

Mit besten Grüßen an alle
Timber

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Aras » 13.03.2016, 22:11

Wenn ich kein oder negatives Einkommen habe, dann zahl ich auch keine Einkommenssteuer. Meinst du jetzt die Vorsteuer aus der Umsatzsteuer?

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Timber » 13.03.2016, 23:58

Ich verstehe diese Auslegung und die Frage wg. USt bzw. Vorst nicht.

8000,- Einkommen aus V+V und 4500,- Verlust aus selbständiger Tätigkeit
zeigen doch deutlich wo der wirtschaftliche Schwerpunkt liegt und um welche Dimensionen es sich handelt.

Die Veranlagung zu 0,00 ESt-Vorauszahlungen weist doch darauf hin, dass hinter dem Verlust aus selbständiger Tätigkeit nicht erhebliche Umsätze stehen, die mit Investitionen mal eben in einem Jahr in die Verlustzone gedrückt wurden. Es zeigt, dass das FA auch im kommenden Jahr keine Einnahmen in steuerpflichtiger Höhe unterstellt (m.E. etwa ab 17.000 bei Zusammenveranlagung)

Wir wollen auch annehmen, dass die KK über die ESt-Bescheide der/des Versicherten aus den letzten 25 Jahren verfügt.

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Czauderna » 14.03.2016, 10:57

Hallo,
dass Du meinen Überlegungen und denen von Aras nicht folgst ist verständlich. In deinem Fall war seitens der Kasse eine Prüfung ob bei dir hauptberufliche Selbständigkeit vorliegt offenbar von Anfang an nicht notwendig gewesen. Du hast damals der Kasse erklärt dass du selbständig bist und hast eine Einkommensbezogene Einstufung beantragt - geschah das eigentlich von dir aus oder nach Beratung durch die Kasse ?.
Seitdem hast du die Einkommensteuerbescheide regelmäßig vorgelegt - lt. diesen Einkommensteuerbescheiden warst du immer selbständig - jedenfalls geht das aus den Bescheiden hervor - dass du kein steuerpflichtiges Arbeitskommen hattest spielte nur insofern für die Kasse eine Rolle, dass sie dich nach der Mindestbeitragsbemessungsgrenze eingestuft hat (Mieteinnahmen wurden dabei berücksichtigt). Hast du eigentlich eine Krankengeldabsicherung gewählt ?.
Wenn ich dich richtig verstehe, dann hätte die Kasse vom Amts wegen eine Überprüfung deiner Selbständigkeit, deiner hauptberuflichen Selbständigkeit, vornehmen müssen. Ich bin weiterhin der Auffassung, dass dem nicht so ist und bin gespannt wie deine Kasse reagieren wird -
vielleicht wäre dies ja mal ein Fall, der von einem Gericht geklärt werden müsste.
Gruss
Czauderna

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Timber » 14.03.2016, 12:36

Vielen Dank Czauderna!

Also unterstellen wir, es hat nie eine Beratung der KK gegeben und schon gar keine hinsichtlich möglicher Dispositionsmöglichkeiten und der Bedeutung von haupt- und nebenberuflich. Unterstellen wir auch, dass die KK spätestens seit 2010 weiß, dass hier ein/e „Einzelkämpfer/in“ mit sehr engem finanziellen Spielraum unterwegs ist und der/die bereits in 2010 schriftlich um eine Beitragsanpassung gebeten hat, die Antwort aber lediglich ein Stundungsantrag gewesen wäre. Soviel zur Beratung.

Hier der offizielle Prüfmodus, veröffentlicht auf der Seite einer Krankenkasse:
Sie sind haupt- oder nebenberuflich selbstständig?
Wichtig für die Beitragseinstufung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Beurteilung, ob die Erwerbstätigkeit haupt- oder nebenberuflich ausgeübt wird.

Nach welchen Kriterien erfolgt diese Beurteilung?
Hauptberuflich ist eine selbstständige Erwerbstätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt und den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt. Dabei ist neben dem reinen Zeitaufwand für die eigentliche Ausübung der selbstständigen Tätigkeit auch der zeitliche Umfang für eventuell erforderliche Vor- und Nacharbeiten zu berücksichtigen.

Nimmt der zeitliche Aufwand für die selbstständige Tätigkeit mehr als 30 Stunden wöchentlich in Anspruch, ist anzunehmen, dass die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird. Dies gilt dann, wenn das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn das Arbeitseinkommen 25 v. H. der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (2016 = 726,25 Euro).

Nimmt der zeitliche Aufwand für die selbstständige Tätigkeit mehr als 20 Stunden, aber nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich in Anspruch, ist anzunehmen, dass die selbstständige Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird. Dies gilt dann, wenn das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen Tätigkeit die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn das Arbeitseinkommen 50 v. H. der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (2016 = 1.452,50Euro).

Nimmt der zeitliche Aufwand für die selbstständige Tätigkeit nicht mehr als 20 Stunden wöchentlich in Anspruch, ist anzunehmen, dass die selbstständige Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt wird. Dies gilt nicht, wenn das Arbeitseinkommen 75 v. H. der monatlichen Bezugsgröße (2016 = 2.178,75 Euro) übersteigt und deshalb anzunehmen ist, dass es die Hauptquelle zur Bestreitung des Lebensunterhalts darstellt.
_____________________________________________

Wäre nicht zu unterstellen, die KK würde den unvollständig ausgefüllten Fragebogen einzig deshalb nicht monieren, da sie hinsichtlich der Beitragshöhe in keinem Fall durch die Einholung weiterer Informationen hätte besser gestellt werden können??

Wäre nicht zu unterstellen, dass es aufgrund der Sachkunde der KK sofort klar sein musste, dass weitere Prüfung ggfs. nur zu einer Minderung des Beitrages führen kann, denn der höchstmögliche Beitrag wurde ja bereits eingefordert??

Wäre es seitens der KK nicht sogar zwingend abzuleiten, dass in diesem Fall eine Eingruppierung unter „sonstige freiwillig Versicherte“ sehr wahrscheinlich sein könnte, zumindest aber hier weiterer Bedarf einer Abwägung hätte erkannt werden müssen? Unterstellen wir noch, dass sich dies alles vor dem Hintergrund ständiger Mahnungen sowie wiederholter Ratenvereinbarungen und sogar Ruhensbescheiden abläuft.

Seitens der KK-Mitarbeiter/innen ist doch bekannt, dass wenn das Arbeitseinkommen aus der selbständigen Tätigkeit NICHT die Haupteinnahmequelle zur Bestreitung des Lebensunterhaltes ist, es sich um eines der ersten Kriterien für eine nebenberufliche Tätigkeit handelt. Im Fallbeispiel wäre es sogar die einzige Einnahmequelle, so dass anderweitiger Aufwand an Arbeitszeit eigentlich so gut wie überhaupt nicht mehr relevant sein konnte.

Wenn nicht hier, wann handelt es sich dann um die „klar zu Tage liegende Dispositionsmöglichkeit, die so zweckmäßig ist, dass jeder verständige Versicherte sie mutmaßlich nutzen würde“, aus der, wie der Gesetzgeber formuliert, zwingend eine Informationspflicht resultiert?

Beste Grüße
Timber

Czauderna
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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Czauderna » 14.03.2016, 16:07

Hallo Timber,
ich hab da noch etwas gefunden - vielleiocht hilft es dir weiter ?


Tit. 5 RdSchr. 10f
Grundsätzliche Hinweise zum Begriff der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit

Tit. 5 RdSchr. 10f – Feststellung der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit

(1) Als bloßes Tatbestandselement ist das (Nicht-)Vorliegen einer hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit im Verwaltungsverfahren nicht isoliert feststellungsfähig. Die Entscheidung der Krankenkasse muss vielmehr auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Versicherungsverhältnisses gerichtet sein oder im Anwendungsbereich des § 240 SGB V die Beitragshöhe konkret bestimmen.

(2) Für die Feststellung, ob eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit gegeben ist, sind die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie zum Zeitpunkt der Ausübung der selbstständigen Tätigkeit oder beim Zusammentreffen der selbstständigen Tätigkeit mit einer weiteren Erwerbstätigkeit vorliegen, in einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen (vgl. u. a. Urteil des BSG vom 19. Februar 1987 - 12 RK 9/85 -, USK 8708). Entscheidungen über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe sind ihrer Natur nach gegenwartsorientiert und zugleich - durch ihre Dauerwirkung - zukunftsbezogen. In der Folgezeit eintretende tatsächliche Änderungen, die nicht nur von vorübergehender Dauer sind, sind vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an zu berücksichtigen.

(3) Bei dieser statusrechtlichen Bewertung ist das Arbeitseinkommen aus der ausgeübten selbstständigen Tätigkeit nach den tatsächlichen aktuellen bzw. den zu erwartenden Verhältnissen zu bestimmen. Das heißt, dass hierbei - anders als beim Nachweis des Arbeitseinkommens für Zwecke der Beitragsbemessung - nicht grundsätzlich auf den letzten vorliegenden Einkommensteuerbescheid zurückzugreifen ist, sondern andere qualifizierte Nachweise (z. B. Erklärungen von Steuerberatern, finanz- und betriebswirtschaftliche Auswertungen, im Einzelfall auch die sorgfältige und gewissenhafte Schätzung der zu erwartenden Einnahmen durch den Selbstständigen) zu akzeptieren sind.

(4) Ist über die Frage, ob eine hauptberuflich selbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt, nicht zeitnah bei Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit oder beim Zusammentreffen der selbstständigen Tätigkeit mit einer weiteren Erwerbstätigkeit oder bei einer Änderung der Verhältnisse, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden, gilt das vorstehende Gebot der vorausschauenden Betrachtungsweise für die Beurteilung entsprechend. Die seither eingetretenen tatsächlichen Entwicklungen eignen sich zwar nicht als Beurteilungsgrundlage einer Prognose; allerdings ist es auch nicht unzulässig, später eingetretene Entwicklungen als Bestätigung dafür zu finden, dass dies von vorneherein so beabsichtigt war, falls sich keine Anhaltspunkte für das Gegenteil finden.

(5) Sofern es bei der Frage der Feststellung der hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeit um die Systemabgrenzung zwischen der landwirtschaftlichen Krankenversicherung und der allgemeinen Krankenversicherung geht, sollen die Versicherungsverhältnisse grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft, das heißt zum Beginn des auf die Feststellung folgenden Kalendermonats, abgewickelt werden. Erfolgt die Feststellung zeitnah, das heißt innerhalb von drei Monaten, gerechnet vom Tag des Zusammentreffens der Beschäftigung und der selbstständigen Tätigkeit an, sollen die Änderungen der Versicherungsverhältnisse nach der wahren Sach- und Rechtslage - auch rückwirkend - vorgenommen werden.


Rechtsstand: 23.07.2015

Timber
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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Timber » 14.03.2016, 19:11

Vielen Dank Czauderna!

Ja, das beleuchtet den Aspekt hauptberufliche Tätigkeit. Ich glaube das würde sich klären lassen.
Der andere Aspekt ist dann noch die Nichtausübung der Informationspflicht (auch Beratung) durch die Krankenkasse. In dem geschilderten Fall dürfte zu unterstellen sein, dass der KK bewußt war, dass eine Information durch die KK (bzw. eigentlich gebotenes Nachfragen) für diese nur das Risiko von Mindereinnahmen bedeuten konnte.

Beste Grüße
Timber

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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Aras » 14.03.2016, 19:45

Du würdest mMn besser fahren, wenn du keinen Vorsatz vorwerfen würdest.

Timber
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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Timber » 14.03.2016, 19:52

Hier ist es ist ja auch nur die Zuspitzung in einem Fallbeispiel. Danke!

Rossi
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Re: Rückforderung Beiträge zur GKV, Verletzung Informationspflicht der KK

Beitragvon Rossi » 15.03.2016, 20:11

Hier ein Auszug aus meinem Seminarscript zum Thema Aufklärung und Beratung

Zitat:
Das BSG führt am 12.12.07 in seinem Urteil B 12 AL 1/06 R aus: „Denn es entspricht mittlerweile der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, dass eine umfassende Beratung der Versicherten die Grundlage für das Funktionieren des immer komplizierter werdenden sozialen Leistungssystems ist. Im Vordergrund steht dabei nicht mehr nur die Beantwortung von Fragen oder Bitten um Beratung, sondern die verständnisvolle Förderung des Versicherten, d. h. die aufmerksame Prüfung durch den Sachbearbeiter, ob Anlass besteht, den Versicherten von Amts wegen auf Gestaltungsmöglichkeiten oder Nachteile hinzuweisen, die sich mit seinem Anliegen verbinden; denn schon gezielte Fragen setzen Sachkunde voraus, über die der Versicherte oft nicht verfügt“.

Mir reicht diese Passage aus dem BSG-Urteil völlig und ganz. Auch wenn die Kassen es teilweise anders in der Praxis sehen. Das BSG ist halt das höchste Gericht in der Sozialgerichtsbarkeit. Da gibt es kein mullen und knullen mehr; auch wenn es nicht schmeckt oder man die Zeit dafür nicht hat.


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