Angestellt und Selbstständig

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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MarkusMM
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Angestellt und Selbstständig

Beitragvon MarkusMM » 21.06.2022, 07:12

Hallo zusammen!

Ich habe folgende Fragestellung:

Angenommen, ich verdiene im Angestelltenverhältnis 70.000 Euro brutto und liege somit über der Beitragsbemessungsgrenze. Ich entscheide mich für die freiwillige gesetzliche Versicherung, bei der mein Arbeitgeber für Kranken- und Pflegeversicherung die Hälfte des Höchstsatzes dazugibt.Ich selber bezahle also knapp 500 Euro "Eigenanteil".

Wenn ich nun noch selbstständig bin und hier einen Gewinn von z.B 150.000 Euro erwirtschafte und ich somit voraussichtlich als hauptberuflich selbstständig eingeordnet werde, würde der oben angesprochene Höchstsatz ja gleich bleiben. Würde unter diesem Umstand der Anteil für Kranken- und Pflegeversicherung meines Arbeitgebers komplett wegfallen (und ich müsste alles (also etwas mehr Als 900 Euro) selber zahlen?) oder würde dieser erhalten bleiben, da ich auch in der Festanstellung über der Beitragsbemessungsgrenze liege? Wenn dem so wäre, würde sich finanziell keine Veränderungen daraus ergeben, ob ich als hauptberuflich angestellt oder hauptberuflich selbstständig eingeordnet werde?

Vielen Dank vorab!

Viele Grüße
Markus

Czauderna
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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon Czauderna » 21.06.2022, 08:09

Hallo und willkommen im Forum
also, aus Sicht der Krankenkasse wäre das in diesem Falle grundsätzlich egal, mehr als den Höchstbeitrag musst du nicht zahlen und ob du von deinem Arbeitgeber einen Beitragszuschuss bekommst oder nicht, das interessiert die Krankenkasse auch nicht. Vom Wesen her gebe ich dir recht, aufgrund des Einkommens allein würde ich auch zur hauptberuflichen Selbständigkeit tendieren, wobei man allerdings anmerken muss, dass nicht das Einkommen allein bei der Beurteilung eine Rolle spielt, sondern auch z.B. auch der Zeitaufwand.
Was denn Beitragszuschuss betrifft, das wird nicht funktionieren -https://www.tk.de/firmenkunden/versicherung/beitraege-faq/arbeitsentgelt/anspruch-auf-einen-beitragszuschuss-2034486?tkcm=aaus
d.h. bei Entscheidung durch die Kasse auf hauptberufliche Selbständigkeit fällt der Beitragszuschuss durch den Arbeitgeber weg.
Gruss
Czauderna

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon MarkusMM » 21.06.2022, 08:39

Hallo!

Vielen Dank für die schnelle Rückinformation. Bedeutet: Der Krankenkasse ist es theoretisch „egal“, da sie so oder so den Höchstsatz erhalten - egal von wem. In meinem Interesse wäre es dann aber sehr sinnvoll, dass ich hauptberuflich angestellt bleibe, da ich dann die Hälfte an Beitrag nicht selber tragen muss. Korrekt?

Dann noch eine Frage zur Einordnung:

Hauptberuf: 37h/Woche
Selbstständigkeit: unter 10h/Woche - keine Angestellten
Summen sind in Wirklichkeit nicht soooo weit auseinander wie oben dargestellt.
Es wäre also durchaus realistisch, dass die Selbstständigkeit (weiterhin) als nebenberuflich eingeordnet wird? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass man eh vollen Beitrag zahlt.

Danke

Czauderna
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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon Czauderna » 21.06.2022, 09:07

Hallo,
Hauptberuf: 37h/Woche
Selbstständigkeit: unter 10h/Woche - keine Angestellten
Summen sind in Wirklichkeit nicht soooo weit auseinander wie oben dargestellt.
Es wäre also durchaus realistisch, dass die Selbstständigkeit (weiterhin) als nebenberuflich eingeordnet wird? Insbesondere vor dem Hintergrund, dass man eh vollen Beitrag zahlt.

Entscheiden wird die Krankenkasse - von der Arbeitszeit her wäre Angestellter im Vordergrund, vom Einkommen her die hauptberufliche Selbstständigkeit.
Ich kann es nur vermuten - es verbleibt bei "Angestellter" und nicht hauptberuflich Selbständig.
Gruss
Czauderna

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon MarkusMM » 21.06.2022, 09:18

Vielen Dank für Deine Einschätzung.

Dann in dem Kontext noch 2 letzte Fragen:

1. Egal ob nebenberuflich oder hauptberuflich selbstständig - meine Kinder/Frau könnten bei mir familienversichert bleiben? Da gibt es keinen Unterschied?

2. Wenn die Einschätzung „hauptberuflich selbstständig“ wäre, könnte ich (zum Beispiel in Elternzeit) nicht mehr familienversichert bei meiner Frau sein, richtig? Dann müsste ich zumindest den Mindestsatz zahlen?

Danke!

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon Czauderna » 21.06.2022, 11:41

MarkusMM hat geschrieben:Vielen Dank für Deine Einschätzung.

Dann in dem Kontext noch 2 letzte Fragen:

1. Egal ob nebenberuflich oder hauptberuflich selbstständig - meine Kinder/Frau könnten bei mir familienversichert bleiben? Da gibt es keinen Unterschied?
ja, das ist egal
2. Wenn die Einschätzung „hauptberuflich selbstständig“ wäre, könnte ich (zum Beispiel in Elternzeit) nicht mehr familienversichert bei meiner Frau sein, richtig? Dann müsste ich zumindest den Mindestsatz zahlen?
auch das ist richtig, aber ob es dann der Mindestbeitrag sein wird, das kommt auf die tatsächlichen Einkommensverhältnisse an

Danke!


Gruss
Czauderna

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon GS » 21.06.2022, 12:49

Hallo,

m. E. entfällt für den nebenberuflich gewordenen Arbeitnehmer der gesetzliche Anspruch auf den Arbeitgeberzuschuss.

Bei dem oben zuerst beschriebenen Sachverhalt
- Arbeitnehmer bezüge 70.000 € p.a.
- Einkünfgte aus sbst. Tätigkeit 150.000 € p.a.
liegt hauptberufliche Selbständigkeit vor, womit die hier im § 257 Abs. 2 fettgedruckte Passage nicht zutrifft.

Gruß
von GS

§ 257 Absatz 2 SGB 5:
Beschäftigte, die nur wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze [/b[b]]oder auf Grund von § 6 Abs. 3a versicherungsfrei oder die von der Versicherungspflicht befreit und bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und für sich und ihre Angehörigen, die bei Versicherungspflicht des Beschäftigten nach § 10 versichert wären, Vertragsleistungen beanspruchen können, die der Art nach den Leistungen dieses Buches entsprechen, erhalten von ihrem Arbeitgeber einen Beitragszuschuß. Der Zuschuss wird in Höhe des Betrages gezahlt, der sich bei Anwendung der Hälfte des Beitragssatzes nach § 241 zuzüglich der Hälfte des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a und der nach § 226 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bei Versicherungspflicht zugrunde zu legenden beitragspflichtigen Einnahmen als Beitrag ergibt, höchstens jedoch in Höhe der Hälfte des Betrages, den der Beschäftigte für seine Krankenversicherung zu zahlen hat. Für Beschäftigte, die bei Versicherungspflicht keinen Anspruch auf Krankengeld hätten, tritt an die Stelle des Beitragssatzes nach § 241 der Beitragssatz nach § 243. Soweit Kurzarbeitergeld bezogen wird, ist der Beitragszuschuss in Höhe des Betrages zu zahlen, den der Arbeitgeber bei Versicherungspflicht des Beschäftigten entsprechend § 249 Absatz 2 zu tragen hätte, höchstens jedoch in Höhe des Betrages, den der Beschäftigte für seine Krankenversicherung zu zahlen hat; für die Berechnung gilt der um den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz nach § 242a erhöhte allgemeine Beitragssatz nach § 241. Absatz 1 Satz 3 gilt.

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon MarkusMM » 21.06.2022, 13:10

Danke auch für Deine Antwort.

Wobei man natürlich auch die zeitliche Komponente bei der Beurteilung berücksichtigen muss (die hatte ich im ersten Fall noch nicht erwähnt).

- Arbeitnehmer bezüge 70.000 € p.a. - 37 h/Woche
- Einkünfgte aus sbst. Tätigkeit 150.000 € p.a. 5-10h/Woche

Dann wird es vermutliche eine Ermessensentscheidung. Und je mehr die Beträge zusammenrücken, umso größer vermutlich die Chance, dass die selbst. Tätigkeit nebenberuflich anerkannt wird.

Also Beispiel:

- Arbeitnehmer bezüge 85.000 € p.a. - 37 h/Woche
- Einkünfgte aus sbst. Tätigkeit 115.000 € p.a. 5-10h/Woche

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon GS » 21.06.2022, 13:18

Dem Arbeitgeber wird es sicher solange egal sein wie er das "Gefühl" hat, dass der Job nicht unter der nicht unerheblich selbständigen Tätigkeit leidet.

Solange es im Job "flutscht", wird es ihm vllt. sogar egal sein, dass sein Arbeitnehmer des Monats ab und an eine Bürostunde für die Selbständigkeit abzweigt. :mrgreen:

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon MarkusMM » 21.06.2022, 13:21

Ja, das funktioniert schon :-)
Aber der Arbeitgeber entscheidet ja vermutlich auch nicht, was die Krankenkasse einstuft. Auf der anderen 'Seite wird es der Krankenkasse auch egal sein, solange sie "irgendwie" den Höchstsatz bekommt. :-)

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon Czauderna » 21.06.2022, 14:03

GS hat geschrieben:Dem Arbeitgeber wird es sicher solange egal sein wie er das "Gefühl" hat, dass der Job nicht unter der nicht unerheblich selbständigen Tätigkeit leidet.

Solange es im Job "flutscht", wird es ihm vllt. sogar egal sein, dass sein Arbeitnehmer des Monats ab und an eine Bürostunde für die Selbständigkeit abzweigt. :mrgreen:

Hallo,
so ganz egal wird es dem Arbeitgeber nicht sein, denn er spart ja ggf. den Beitragszuschuss
Gruss
Czauderna

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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon MarkusMM » 21.06.2022, 14:10

Theoretisch hast Du Recht, praktisch bin ich in eine Branche, wo (sehr gute) Leute händeringend gesucht werden und wo wir von einem großen Unternehmen sprechen. Tatsächlich glaube ich also, wäre es dem Arbeitgeber "egal". Und der Krankenkasse ist es vermutlich auch irgendwie "egal".
Also eine Situation, wo vermutlich kaum jemanden interessiert, was passiert. :D

Was könnte denn passieren, wenn irgendwann mal nachträglich definiert wird, dass es sich um eine hauptberufliche Selbstständigkeit handelt?

Beiträge können ja nicht nachgefordert werden, da schon lange die Höchstsätze bezahlt werden. Es könnte also höchstens passieren, dass der Arbeitgeber nachträglich seine Beitragszuschüsse zurückfordert?

Oder übersehe ich etwas?

GS
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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon GS » 21.06.2022, 17:15

Völlig egal darf es dem Arbeitgeber natürlich nicht sein, denn wenn er dem de facto nebenberuflichen AN den Arbeitgeberzuschuss zahlt, muss er den als steuerpflichtige Bezüge behandeln und natürlich auch als sozialversicherungspflichtige bis zur Bemessungsgrenze RV, soweit trotz der Konstellation Renten- und/oder Arbeitslosenversicherungspflicht bestünde.

Der AG ist also schon gehalten, hier genau zu sein, denn sonst lädt er sich womöglich ein Problem mit dem Finanzamt und evtl. auch mit der Rentenversicherung bei Betriebsprüfungen.

heinrich
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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon heinrich » 21.06.2022, 19:50

vollkommen korrekt, was GS hier geantwortet hat.

Ich glaube, dass GS beruflich in der privaten Versicherungsbranche tätig.

Dann hier solche tolle Antworten zum § 257 SGB V-- Kompliment.

Dann auch noch der Hinweis zu einem steuerlich maßgeblichen geldwerten Vorteil, falls
festgestellt würden, dass ein Arbeitgeberzuschuss nicht aufgrund gesetzlicher Basis erfolgte--Hut ab.


spannend wäre noch die Frage--- wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich streiten würde, ob es
eine hauptberufliche Selbstständigkeit ist, WER dann die Entscheidung treffen müsste ---- ??- eine gesetzliche Krankenkasse
und wer dann (AG oder AN) und wo bei welchen Gericht Klage einreichen müsste.

GS
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Re: Angestellt und Selbstständig

Beitragvon GS » 21.06.2022, 23:37

Hallo heinrich,

danke für die Blumen; ging runter wie Öl :mrgreen:

Zumal sie von einem ausgewiesenen GKV-Experten kommen, der in meiner Erinnerung noch nie danebenlag, im Gegensatz zu mir das ein oder andere Mal. =D>

Ja, stimmt. Ich hatte bis vor x Jahren ca. 13x Jahre hauptberuflich mit der PKV zu tun. Und nebenberuflich deshalb auch mit der GKV, so dasss der ein oder andere § aus dem SGB V hängengeblieben ist. War von Anfang an spannend bis zum Schluss. Ok, ab und an war auch Leerlauf - wo nicht?

Dazu
spannend wäre noch die Frage--- wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich streiten würde, ob es
eine hauptberufliche Selbstständigkeit ist, WER dann die Entscheidung treffen müsste ---- ??- eine gesetzliche Krankenkasse
und wer dann (AG oder AN) und wo bei welchen Gericht Klage einreichen müsste.
konzentriert der Streit in diesem Fall wohl darauf, ob der AG-Zuschuiss gezahlt wird, und wenn ja, ob er auch steuerfrei etc. zusteht.

Der AG zieht sich auf die sichere Seite zurück, zahlt den AG-Zuschuss zwar aus, aber lohnsteuerpflichtig, und lässt sich notfalls verklagen. Von der Anklagebank schaut er sich den Ausgang dieser Geschichte in Ruhe an.
Sichtweise des AG: Er gönnt seinem AN des Monats den AG-Zuschuss, will sich aber auch keine Laus in den Pelz setzen im Hinblick auf Finanzamt und Betriebsprüfung.

Der AN ist gut beraten, in dem Fall die Kirche im Dorf zu lassen, denn wenn es hart auf hart käme, müsste er zu dem selbständigen Zweig seiner dualen Erwerbs-Story eventuell die Hosen weiter herunterlassen als es ihm lieb sein kann.

Gruß
von GS

Darauf war ich noch nicht eingegangen, wohl, weil ich dazu keine Ahnung habe, höchstens eine Vermutung:
heinrich schrieb:
... und wo bei welchen Gericht Klage einreichen müsste
Wenn der AN Kläger ist und sein AG Beklagter, trifft man sich wohl vor dem Arbeitsgericht. Um sich schlau zu machen, wird das Gericht mit einiger Sicherheit einen Experten der DR - das kann natürlich auch eine Dame sein - als Sachverständigen hinzubitten.


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