Kostenerstattung Privatarzt

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Karin
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Kostenerstattung Privatarzt

Beitragvon Karin » 23.05.2008, 12:38

Ich hatte 2003 einen Bandscheibenvorfall, den ich von einem Privatarzt behandeln ließ. Die AOK hat mir damals den einfachen Satz erstattet. Jetzt habe ich leider wieder Probleme mit dem Rücken und habe mich vom gleichen Arzt behandeln lassen, in der Annahme, dass die Aok wieder für den einfachen Satz aufkommt. Weit gefehlt. Die gleiche, damals sehr nette Kontaktperson, die mit meiner Krankheitsgeschichte vertraut ist, gibt mir die Auskunft, dass die Kasse (aufgrund neuer Gesetze) nicht mehr dafür aufkommen darf. Ich sitze nun auf 2 hohen Rechnungen und bekomme nichts erstattet. Habe ich Möglichkeiten doch noch eine Teilerstattung zu bekommen? An wen könnte ich mich wenden?
Danke für Ihre Auskunft
MfG Karin

Frank
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Beitragvon Frank » 23.05.2008, 13:34

Hallo Karin,

welcher Art war denn die Behandlung?

Gruß
Frank

Karin
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Beitragvon Karin » 23.05.2008, 14:17

Hallo Frank,

das waren Spritzen, aber halt besondere. Eine von dem Arzt erfundene Behandlungsmethode. Ca. alle 2 Monate 10-12 Spritzen. Was genau er spritzt, müsste ich daheim nachschauen.

mfG Karin

fwilke
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Beitragvon fwilke » 23.05.2008, 14:32

Tag zusammen,

was ist das aber auch für eine schnelllebige Welt, wo sich innerhalb von 5 Jahren nach 3 Gesundheitsreformen einfach mal so was ändert. Wie soll sich da der Verbraucher noch zurecht finden?

Frank Wilke

Frank
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Beitragvon Frank » 23.05.2008, 14:37

Du hast wahrscheinlich telefoniert mit der AOK.
Ich würde die Rechnungen nochmal einreichen und auf ein schriftliche Antwort bitten.

Dann bekommst du eine Begründung warum die Kasse nicht zahlen möchte / kann.

Alles andere ist spekulativ und hilft dir nichts weiter.

dij
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Beitragvon dij » 23.05.2008, 14:46

§ 13 Abs. 1 SGB 5: "Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht." Und die Fälle, in denen das Gesetz es vorsieht, sind ziemlich eingeschränkt (u.a. bei vorheriger Wahl des Kostenerstattungsverfahrens für mindestens ein Jahr). Für Ärzte ohne Kassenzulassung, wie der Begriff "Privatarzt" es andeutet, gelten noch weitere Beschränkungen.

Frank
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Beitragvon Frank » 23.05.2008, 15:48

Ich weiß jetzt noch zu wenig über die Behandlung und über die Begründung der Ablehnung der Kasse. Aber nachfolgendes Urteil finde ich immer wieder lesenswert:

Landessozialgericht Niedersachsen, Celle,
Urteil AZ: L 4Kr 11/1995 v. 30.8.1995
Bei der Entscheidung über die Kostenerstattung darf sich die Krankenkasse nur nach der Qualität und der Wirksamkeit der Leistung richten. Für die Qualitätsprüfung sind nicht die schulmedizinischen Kriterien heranzuziehen, sondern „therapieimmanente“ Kriterien.
Der Ablehnung liegt häufig eine abschlägige Bewertung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen zugrunde, der aber in der Regel nicht über die fachliche Qualifikation verfügt, um die Verfahren jeweils beurteilen zu können. Das Landessozialgericht Niedersachsen verweist in diesem Zusammenhang als Maßstab für Bewertungen in der Zukunft auf die Richtlinien der Hufelandgesellschaft für Gesamtmedizin.

Im einzelnen hat das Landessozialgericht Niedersachsen entschieden:

* Krankenkassen sind in ihrer Leistungspflicht nicht auf die Methoden der Schulmedizin begrenzt.
* Sie müssen auch für Methoden der Besonderen Therapierichtungen zahlen.
* Jeder Patient hat ein Selbstbestimmungsrecht im Bezug auf die ärztliche Behandlung (Persönlichkeitsrecht).
* Dem Versicherten müssen alle ärztlichen Behandlungsmethoden offenstehen, wenn diese den gesetzlichen Leistungsanforderungen (Qualität und Wirtschaftlichkeit) entsprechen.
* Der Versicherte hat einen Anspruch auf Leistungen der Besonderen Therapierichtungen, sofern sie gewissen Standards genügen.
* Zu den Besonderen Therapierichtungen zählen nicht nur die Homöopathie, Phytotherapie und Antroposophische Medizin, sondern alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die nicht zur Schulmedizin gehören.


Zur Qualitätssicherung:

* Sie darf sich nicht am Denkansatz der Schulmedizin ausrichten, sondern muß therapieimmanent sein, sich also am Denkansatz der jeweiligen Therapierichtung orientieren.
* Statistische Untersuchungen sind häufig zur Bewertung Besonderer Therapierichtungen nicht geeignet, weil sie nicht ganzheitlichen Gestaltungsprinzipien genügen.
* Zur Sicherstellung des Qualitätsstandards reicht es, wenn die jeweils gewünschte Behandlungsmethode plausibel ist.

Hierzu verweist das Gericht auf das Leistungsverzeichnis der Hufeland Gesellschaft für Gesamtmedizin, wonach ein Verfahren:

1. erklärbar und praktisch bewährt sein muß,
2. lehr- und lernbar sein muß,
3. dem Verfahren ein plausibles Konzept zugrunde liegen muß.

Weiterhin stellt das Landessozialgericht fest:

* Es kann nicht angehen, daß Besondere Therapierichtungen nur bei Krankheiten unbekannter Ursache finanziert werden, denn das Gesetz unterscheidet grundsätzlich nicht nach der Art der Krankheit.
* Es kann nicht angehen, daß die Schulmedizin zunächst ausgeschöpft sein muß, denn das beschränkt die Therapiefreiheit des Arztes. (Wenn eine Besondere Therapierichtung erfolgversprechend erscheint, wäre es nicht lege artis und unwirtschaftlich, zunächst alle Möglichkeiten der Schulmedizin auszuschöpfen.)
* Eine Leistung der Krankenkassen vom Erfolg der Behandlung abhängig zu machen, entbehrt jeder gesetzlichen Grundlage. Auch die schulmedizinische Behandlung wird völlig unabhängig vom Erfolg der Behandlung im Einzelfall bezahlt.

Leistungsanspruch des Versicherten hat Vorrang
In Richtung Krankenkassenrecht stellt das Gericht fest.

* Das Leistungsrecht, also der Leistungsanspruch des Versicherten, hat Vorrang vor dem Leistungserstattungsrecht der Kassen (regelt das Verhältnis zwischen Kasse und Arzt). Kann kein Vertragsarzt die gewünschte Behandlung erbringen, kann ein Nichtvertragsarzt die Versorgungslücke ausfüllen und muß bezahlt werden.
* Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über neue Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) dürfen das Recht des Versicherten nicht einschränken. Denn ein Bundesausschuß kann nicht das Recht der Patienten auf umfassenden Krankenversicherungsschutz verkürzen, indem er bestimmte Behandlungsformen nicht anerkennt. Ansonsten würde ein Ausschuß über den Stand der medizinischen Versorgung entscheiden.

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Beitragvon Karin » 24.05.2008, 09:23

Hallo zusammen und danke für die vielen Antworten. Frank: ich hatte die Rechnungen schriftlich eingereicht. Die Antwort lautet schlicht: die Praxis xy besitzt keine Zulassung um Versicherte der GKV behandeln zu dürfen. Ihre AOK darf sich daher nicht an den Kosten beteiligen. Was das Landessozialgericht Niedersachsen entschieden hat, klingt sehr vielversprechend. Gilt das jetzt nur für Niedersachsen, oder auch hier? Dass in meinem Fall kein Vertragsarzt die gewünschte Behandlung erbringen kann, ist leicht nachzuweisen. Ist es sinnvoll der AoK nochmal zu schreiben und auf diese Urteile hinzuweisen?
Gruß Karinn

Frank
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Beitragvon Frank » 24.05.2008, 11:09

Hallo Karin,

auf dieses Urteil kann man sich bundesweit berufen. Ich würde auf jeden Fall noch mal der Kasse schreiben.

Gruß
Frank

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Beitragvon dij » 24.05.2008, 17:36

Das Urteil ist nur leider 13 Jahre alt, und die zugrunde liegenden Gesetze sind ein paar Mal geändert worden.

Da es ja nun tatsächlich ein Arzt ohne Kassenzulassung war, gilt § 13 Abs. 2 SGB 5. Demnach muß in jedem Fall die Krankenkasse vor der Behandlung informiert werden, teilweise auch zustimmen. Wenn es vorher keinen Kontakt mit der Krankenkasse deswegen gab, dürfte wenig zu machen sein. Es sei denn, die Behandlung wäre so akut dringend gewesen, daß die Kasse nicht mehr rechtzeitig zu erreichen war.

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Beitragvon Frank » 25.05.2008, 11:51

@dij
Wie alt ein Urteil ist sagt ja erstmal nicht viel aus. Kennst du vielleicht Urteile von Gerichten, die in dieser Sache anders entschieden haben? Hilft uns ja auch weiter.

dij
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Beitragvon dij » 25.05.2008, 17:55

Frank hat geschrieben:Wie alt ein Urteil ist sagt ja erstmal nicht viel aus.


Richtig. Wenn seither aber die Gesetze geändert wurden, auf deren Grundlage es ergangen ist - wie hier insbesondere durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung von 2003, durch das neue Verfahren der Qualitätssicherung eingeführt wurden -, kann man nicht mehr davon ausgehen, daß es heute auch so gefällt würde.

Sei dem, wie es mag - das Urteil hat sich mit materiellen Fragen beschäftigt, hier dürfte die Kostenerstattung aber schon an Formalien (vorherige Absprache mit der Krankenkasse) scheitern.

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Beitragvon Karin » 28.05.2008, 12:37

Ich probiers auf jeden Fall nochmal. Ich gebe euch dann bescheid, wie´s gelaufen ist.
Danke nochmal & Grüsse Karin


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