Immense Beitragserhöhung, was tun?

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Vers.BeraterGamper
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Re: Immense Beitragserhöhung, was tun?

Beitragvon Vers.BeraterGamper » 06.04.2017, 12:47

Hallo Fifty & sct,

ich bin spezialisierter Versicherungsberater, der sich (fast ausschließlich) auf die PKV-Beratung und die Tarifwechselberatung konzentriert. Einige Gedanken zu den vielen Beiträgen in diesem Thread, die bitte auch nicht als Wertung für eines der beiden Krankenversicherungssysteme verstanden werden sollten. Ich empfehle nämlich selber in rund 40% meiner Beratungsfälle die Handlungsoption "Wechsel in die GKV".

1.) Beitragsentlastung(en) im Alter
Die GKV kennt überhaupt keine Beitragsentlastungselemente. In der PKV kommen mindestens die folgenden Beitragsentlastungenelemente zur Geltung:

(i) Wegfall des "Zehn-Prozent-Zuschlags" (falls zutreffend) im Alter von 60. Jahren (= gesetzlicher Zuschlag"). Dieser wird ab dem Alter von 65 Jahren beitragsstabilisierend eingesetzt. Der Zuschlag fängt die Kostensteigerungen aufgrund des medizinischen Fortschritts auf. Seit dem Jahr 2000 ist er bei allen Neuverträgen verpflichtend. In Altverträgen ist der Zuschlag freiwillig in Zwei-Prozent-Schritten eingeführt worden.
(ii) Wegfall des Krankentagegeldes mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben.
(iii) Zuschuss der Rentenversicherung zur PKV.
(iv) Zinserträge: Ebenfalls mit der genannten Reform wurde eingeführt, dass 90 Prozent der erwirtschafteten Überzinsen den Versicherten gutzuschreiben sind. Wenn also bei einem Rechnungszins von 3,5 Prozent (gesetzlicher Höchstrechnungszins) eine Nettoverzinsung von 5,0 Prozent erzielt wird, fallen 1,5 Prozent Überzinsen an. Davon müssen 90 Prozent verzinslich gesammelt und ab 65 Jahren beitragsmindernd eingesetzt werden.

Die Funktionsweise der Alterungsrückstellung ist relativ kompliziert zu erklären. Auf Nachfrage führe ich dazu gerne mehr aus.

Also nochmals zusammengefasst: Zunächst findet ein "Ansparprozess" statt, nach einer gewissen Zeit wird jedoch "entspart". Die Alterungsrückstellung wird so aufgebaut, dass sie genau bis zum kalkulierten Endalter ausreicht, um zusammen mit dem Nettobeitrag die mit dem Alter steigenden Versicherungsleistungen zu decken.

2.) Beitragsentwicklung in der GKV
Die gesetzlichen Krankenkassen und der Gesetzgeber reagieren nicht nur mit Beitragsanpassungen, sondern auch mit Leistungskürzungen. Leistungskürzungen sind in der PKV per se nicht ohne Zustimmung des Vertragspartners möglich. Das System der gesetzlichen Krankenkassen hat die gleichen Probleme zu bewältigen wie die PKV. Ein ungelöstes Problem der GKV sind auch die deutlich ansteigenden Beitragsschulden (http://www.aerztezeitung.de/politik_ges ... ieren.html). Dieses Problem besteht bei der PKV nicht in diesem Ausmaß.

Einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) zufolge könnte die Finanzierungslücke in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bis 2030 auf knapp 36 Milliarden Euro pro Jahr anwachsen, bis 2040 dann auf gut 51 Milliarden. In der Pflegeversicherung werden demnach 2030 knapp acht Milliarden und 2040 rund 10 Milliarden Euro im Jahr fehlen. Die IW-Wissenschaftler führen das wachsende Defizit auf den demografische Wandel zurück: Da die Zahl der älteren Menschen stetig zunehme, steige die Zahl der Kranken und Pflegebedürftigen. Zugleich sinken laut Institut die Einnahmen, weil es immer weniger erwerbstätige Beitragszahler gibt. Sofern der Leistungsumfang der beiden Versicherungszweige beibehalten werde und die Steuerzuschüsse konstant blieben, müssten die Beitragssätze steigen, folgert das IW – und das in deutlichem Umfang: Für die Krankenversicherung würde dies ein Beitragssprung von aktuell 14,6 Prozent auf 19,2 Prozent in 2040 bedeuten, in der Pflegeversicherung würde der Beitrag von derzeit 2,55 Prozent – beziehungsweise 2,8 Prozent für Versicherte ohne Kinder – auf durchschnittlich 3,2 Prozent in 2040 steigen.

Es ist demnach nicht alles Gold, was glänzt in der GKV.

Die Entscheidung Für oder Gegen eines des beiden Krankenversicherungssysteme ist keine Entscheidung bei der es finanziell um einige hundert oder tausend Euro, sondern es geht dabei um Beträge (letztlich die privaten Finanzmittel von Menschen), die zusammengerechnet über die Laufzeit der Krankenversicherung schon mal gut über 100.000,-- € liegen können. Eine gute Diskussion hierzu finden Sie auch unter: http://www.finanztip.de/community/thema ... #post37497.

Mit besten Grüßen

Robert Gamper
Versicherungsberater

sct
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Re: Immense Beitragserhöhung, was tun?

Beitragvon sct » 20.04.2017, 11:41

Hallo Herr Gamper,

Vers.BeraterGamper hat geschrieben:1.) Beitragsentlastung(en) im Alter
Die GKV kennt überhaupt keine Beitragsentlastungselemente.

Da muß ich Ihnen widersprechen, denn jeder Rentner der zeitlebens in der GKV versichert war, ist ab Eintritt in die Rente in der "Krankenversicherung der Rentner" (KVdR) versichert. In dieser Versicherung zahlt jeder Rentner seine Beiträge basierend auf die gesetzliche Rente. Das entscheidende ist, das der Rentner nur 7,3% (Stand 2017) seiner Rente als Beitrag zahlt. Somit werte ich diesen Umstand als "Beitragsentlastungselement".

Bei der PKV ist das ja bekanntlich anders. Hier zahlt man weiter den vollen Beitrag abzüglich der von Ihnen genannten Beitragsentlastungsmomente (i) bis (iv). Im Gegenteil fehlt hier nun plötzlich die Unterstützung des Arbeitgebers der ja im vorherigen Lebensabschnitt immer schön die eine Hälfte des Beitrages bezahlt hat.

Fazit: In der Arbeitsphase im Leben hat man mit der PKV eher kein Problem. Wer angestellt in der PKV ist, der hat auch in der Regel genug Geld für die Beiträge. Aber wenn dann die Rente kommt, haben viele ein Riesen-Problem. Wenn dann der Beitrag oberhalb der Pflichtversicherungsgrenze liegt, dann bleibt vielen nur noch der Standardtarif oder gar der Basistarif bei denen ja die gesetzliche Deckelung greift nach der der Beitrag nicht höher sein darf als der maximal mögliche in der GKV.

Ciao
SCT

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Re: Immense Beitragserhöhung, was tun?

Beitragvon ABaum » 20.04.2017, 21:08

Hallo SCT,

leider gibt es keine Beitragentlastungskomponente in der GKV.

In der GKV zahle ich als Rentner wie früher als Arbeitnehmer 7,3% + Zusatzbeitrag. Der Arbeitgeberanteil von 7,3% wird von der Rentenversicherung gezahlt.

Als freiwilliges Mitglied der GKV oder als privat Versicherter erhalte ich auf Antrag einen Zuschuss in Höhe von 7,3% (in der Pkv bis max 50% der Pkv Aufwendungen) von der Rentenkasse.

Wenn ich Im Rahmen einer Selbständigkeit in die PKV gewechselt bin und nur eine geringe gesetzliche Rente bekomme, kann die PKV in der Tat ein Problem werden, wenn ich nicht vorgesorgt habe.

Wenn ich als Arbeitnehmer die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten habe und daher in die PKV gewechselt bin, muss man sich das durchrechnen.

Bei mir lohnte sich z.B. auch ein Einstieg in die PKV mit 50 Jahren. Ich erhalte noch eine gute Betriebsrente und darauf müsste ich sogar 15,7% KV-Beiträge bei der GKV zahlen und einen Beitragszuschuss gibt es da nicht.

Gruß

PS. In die PKV zu wechseln hat mich aber auch zwei schlaflose Wochen gekostet :lol:

Okabe
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Re: Immense Beitragserhöhung, was tun?

Beitragvon Okabe » 20.04.2017, 23:24

sct hat geschrieben:Hallo Herr Gamper,

Vers.BeraterGamper hat geschrieben:1.) Beitragsentlastung(en) im Alter
Die GKV kennt überhaupt keine Beitragsentlastungselemente.

Da muß ich Ihnen widersprechen, denn jeder Rentner der zeitlebens in der GKV versichert war, ist ab Eintritt in die Rente in der "Krankenversicherung der Rentner" (KVdR) versichert. In dieser Versicherung zahlt jeder Rentner seine Beiträge basierend auf die gesetzliche Rente. Das entscheidende ist, das der Rentner nur 7,3% (Stand 2017) seiner Rente als Beitrag zahlt. Somit werte ich diesen Umstand als "Beitragsentlastungselement".

Bei der PKV ist das ja bekanntlich anders. Hier zahlt man weiter den vollen Beitrag abzüglich der von Ihnen genannten Beitragsentlastungsmomente (i) bis (iv). Im Gegenteil fehlt hier nun plötzlich die Unterstützung des Arbeitgebers der ja im vorherigen Lebensabschnitt immer schön die eine Hälfte des Beitrages bezahlt hat.


Naja. In der GKV zahlt man weiterhin den ganz normalen Beitrag - die Hälfte übernimmt halt jemand anderes als der AG. Aber das ist bei der PKV ja auch so: dort zahlt man weiterhin den ganz normalen Beitrag und bekommt die gleiche finanzielle Unterstützung wie jemand in der GKV. Nur kann es halt immer - sowohl während der Rente als auch während des Berufslebens - so sein, dass die PKV teurer ist als die GKV, man aber trotzdem nur den hälftigen Zuschuss bekommt, also so als wäre man in der GKV. Dass man in der GKV Einkommensabhängige Beiträge hat, ist keine Beitragsentlastung "der GKV", sondern höchstens individuell. Genauso ist ein Tarifwechsel in der GKV auch keine Beitragsentlastung "der PKV", aber eben individuell. der 10% Zuschlag aber z.B. gilt PKV weit und ist daher durchaus eine Beitragsentlastung "der PKV". So verstehe ich zumindest unseren lieben Gamper.

sct
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Re: Immense Beitragserhöhung, was tun?

Beitragvon sct » 24.04.2017, 15:38

Okabe hat geschrieben:Naja. In der GKV zahlt man weiterhin den ganz normalen Beitrag - die Hälfte übernimmt halt jemand anderes als der AG. Aber das ist bei der PKV ja auch so: dort zahlt man weiterhin den ganz normalen Beitrag und bekommt die gleiche finanzielle Unterstützung wie jemand in der GKV.
Nur kann es halt immer - sowohl während der Rente als auch während des Berufslebens - so sein, dass die PKV teurer ist als die GKV, man aber trotzdem nur den hälftigen Zuschuss bekommt, also so als wäre man in der GKV.

So ist es! Man bekommt als Rentner nur den hälftigen Zuschuss als wäre man in der GKV wäre. Das ist im Laufe des Erwerbslebens nicht der Fall. Hier zahlt der Arbeitgeber tatsächlich genau die Hälfte vom PKV Beitrag (bis max ~630€, Stand 2017).

Beispiele: Zahlen annähernd
(1a) GKV (5000€ Gehalt, nichtselbstständig beschäftigt) [64 Jahre]
Man zahlt den Höchstbeitrag von zurzeit 756,90 € (Stand 2017) inklusive Pflegeversicherung. Die eine Hälfte zahlt man selber, die andere Hälfte zahlt der Arbeitgeber.
Ergebnis: 378,45€ persönlicher Beitrag zur Gesundheit

...Person geht nun in Rente...

(1b) GKV (2000€ Rente, Berechnung für GKV) [66 Jahre]
Man zahlt rund 17% in die GKV, also 340€. Die eine Hlfte, also 170€, zahlt die KVdR und die andere zahlt man selber.
Ergebnis: ~170€ persönlicher Beitrag zur GKV. Man zahlt deutlich weniger als zu Zeiten wo man noch gearbeitet hat, nämlich rund 200€ weniger.


(2a) PKV (5000€ Gehalt, nicht selbstständig beschäftigt, 700€ PKV Beitrag, inklusive Pflegeversicherung) [64 Jahre]
Der Arbeitgeber zahlt die Hälfte da Beitragsbemessungsgrenze (756,90€) noch nicht erreicht ist, also 350€. Die andere Hälfte zahlt man selber.
Ergebnis: 350,00€ persönlicher Beitrag zur Gesundheit

...Person geht nun in Rente... (der PKV Beitrag hat sich nun aufgrund der Beitragsentlastungselemente um 100€ reduziert was durchaus realistisch ist)

(2b) PKV (2000€ Rente, 600€ PKV Beitrag, inklusive Pflegeversicherung) [66 Jahre]
Man bekommt zum PKV Beitrag 7,5% Zuschuss als wenn man in der GKV wäre, also 170€. Den Rest (600€ - 170€ = 430€) zahlt man selber.
Ergebnis: 430€ persönlicher Beitrag zur Gesundheit.

Auswertung: Während sich der Beitrag als Rentner in der GKV im Vergleich zum Beitrag im Arbeitsleben verringert, erhöht sich der persönliche Beitrag eines PKV Rentners sogar im Vergleich zum Beitrag im Arbeitsleben trotz Beitragsentlastungselement. Dies liegt daran dass man als Rentner nun nicht mehr die Hälfte des PKV Beitrages von der DRV bekommt, wie noch zu Zeiten als man angestellt war, sondern nur noch die Hälfte des fiktiven GKV Beitrages wenn man in der GKV versichert wäre. Die Beitragsentlastungen in der PKV fangen die Mehrkosten daher nicht auf.

Ciao
SCT

Okabe
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Re: Immense Beitragserhöhung, was tun?

Beitragvon Okabe » 24.04.2017, 18:51

sct hat geschrieben:
Okabe hat geschrieben:Naja. In der GKV zahlt man weiterhin den ganz normalen Beitrag - die Hälfte übernimmt halt jemand anderes als der AG. Aber das ist bei der PKV ja auch so: dort zahlt man weiterhin den ganz normalen Beitrag und bekommt die gleiche finanzielle Unterstützung wie jemand in der GKV.
Nur kann es halt immer - sowohl während der Rente als auch während des Berufslebens - so sein, dass die PKV teurer ist als die GKV, man aber trotzdem nur den hälftigen Zuschuss bekommt, also so als wäre man in der GKV.

So ist es! Man bekommt als Rentner nur den hälftigen Zuschuss als wäre man in der GKV wäre. Das ist im Laufe des Erwerbslebens nicht der Fall. Hier zahlt der Arbeitgeber tatsächlich genau die Hälfte vom PKV Beitrag (bis max ~630€, Stand 2017).


Falsch. Der Arbeitgeber zahlt nicht tatsächlich genau die Hälfte vom PKV Beitrag zu, sondern ebenfalls maximal soviel als wäre der Angestellte in der GKV.

Beispiel: Angestellter ist privat versichert (1000€ Monatsbeitrag) und hat ein Jahresgehalt von 30000€. Und bevor du sagst, das geht nicht: recherchier erstmal, bevor du dich noch weiter blamierst. :)

Der Rest sollte klar sein oder? Der AG zahlt nicht etwa 500€, nein auch nicht 630€/2, sondern ca. 182 zu. Bleiben also 818€ übrig, die der Angestellte selbst für seine PKV aufbringen muss.

PS: Es ist ja okay, seine Meinung standhaft zu vertreten, aber vorher zumindest grob zu recherchieren ist gut für das Diskussionsklima. ;)

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Re: Immense Beitragserhöhung, was tun?

Beitragvon dr.kuwano » 25.04.2017, 07:08

Naja, ich denke das Beispiel von SCt kommt deutlich haeufiger vor...

Okabe
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Re: Immense Beitragserhöhung, was tun?

Beitragvon Okabe » 25.04.2017, 11:17

Es ging nicht um Häufigkeiten.
Klar, vergleichsweise wenige Menschen haben mehrfarbige Augen. Deswegen aber zu behaupten, soetwas ginge gar nicht und gäbe es nicht, ist trotzdem schlicht und ergreifend falsch, ohne wenn und aber. :)

Nochmal zur Erinnerung:
Das ist im Laufe des Erwerbslebens nicht der Fall. Hier zahlt der Arbeitgeber tatsächlich genau die Hälfte vom PKV Beitrag (bis max ~630€, Stand 2017).


Es ist falsch und bleibt falsch, sowohl in der Theorie als auch in der Praxis.


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