Ursprünglich vereinbartes Krankentagegeld herabsetzbar durch PKV noch rechtens???

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Juppiflupp
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Ursprünglich vereinbartes Krankentagegeld herabsetzbar durch PKV noch rechtens???

Beitragvon Juppiflupp » 12.05.2020, 12:03

Erst einmal hallo in die Runde! Bräuchte dringend eine Erklärung zur aktuellen Rechtslage und habe folgendes Anliegen!

Ich habe mich im Jahr 2002 hauptberuflich selbständig gemacht und daraufhin eine private Krankheitskostenvollversicherung (PKV) mit einer Selbstbeteiligung von derzeit € 1440 abgeschlossen.
Zusätzlich habe ich zeitgleich bei der gleichen Versicherung eine Krankentagegeldversicherung mit einem fixen Betrag von € 60, ab dem 43 Tag und bei einem Krankenhausaufenthalt bereits, ab dem 1. Tag abgeschlossen (müsste ja somit als Summenversicherung und nicht als Schadensversicherung gelten!?) Denn eine Krankentagegeld-Versicherung gilt immer als Schadenversicherung, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde. Die Alternative ist eine Summenversicherung, bei der im Voraus eine fixe Summe festgelegt wird. Diese wird bei Eintreten eines Schadenfalls fällig!

Da mir bei Vertragsabschluss mitgeteilt wurde, dass ich den fest vereinbarten Betrag bei Arbeitsunfähigkeit definitiv ab dem 43. Tag, bzw. bei Krankenhausaufenthalt bereits ab dem 1. Tag ausgezahlt bekäme, habe ich den Vertrag gut gläubig abgeschlossen. Es wurde nichts anderes vereinbart! Ich wurde zudem auch nicht schriftlich (AVB), oder mündlich darauf hingewiesen, dass die Höhe des Auszahlungsbetrag vom Einkommen abhängig sein soll. Ich hatte ja einen fixen Tagessatzbetrag zu einem fixen Zeitpunkt abgeschlossen und habe mich seit dem relativ sicher gefühlt.

Fazit: Das Nettoeinkommen war somit niemals Gegenstand der Vertragsverhandlungen. Der damals zuständige Versicherungsagent hat lediglich auf den allgemeinen finanziellen Bedarf eines selbstständigen Kaufmanns abgestellt und so die 60 Euro errechnet. Da die Höhe des Krankentagegelds also nicht anhand des Einkommens ermittelt wurde, kann dieses ja auch keinen Einfluss auf die fest vereinbarte Tagessumme haben.

Oder sehe ich das falsch?


Somit habe ich bis heute 18 Jahre lang fein gezahlt und war nie krank, oder beim Arzt und habe noch nie Krankentagegeld in Anspruch nehmen müssen. Jedes Jahr habe ich zumindest meine Beitragsrückerstattung erhalten. Seit dem Jahr 2017 leide ich aufgrund eines Schicksalsschlages an massiven Depressionen und Angstzuständen und hatte dadurch in den letzten 3 Jahren gar keine Gewinne sondern nur Verluste. Da ich durch ein Erbe noch finanzielle Rücklagen hatte, habe ich seit 2017 meine betrieblichen Kosten und meine privaten Lebenshaltungskosten dadurch finanziert, natürlich auch mit der Hoffnung, dass ich meine Depressionen und Angstzuständen ohne Krankenversicherung und Ärzte wieder in den Griff kriege, wieder arbeitsfähig werde und somit mit meiner selbstständig wieder Gewinne erzielen kann. Ich war wieder auf dem besten Wege doch dann kam leider 2020 Corona mit ins Spiel und alles wurde wieder schlimmer.

Jetzt sind meine privaten Rücklagen fast aufgebraucht, mir geht es noch schlechter und ich bin absolut nicht arbeitsfähig. Zudem bin ich in der Veranstaltungsbranche tätig und habe wohl schlechte Aussichten in diesem Jahr überhaupt noch Gewinne erzielen zu können, auch wenn ich arbeitsfähig wäre.

Da ich nun doch dringend ärztliche Hilfe benötige, werde ich nun doch meine Krankenversicherung in Anspruch nehmen müssen.
Ich gehe davon aus, das ich aufgrund meiner Depressionen und Angstzuständen auch über 43 Tage arbeitsunfähig bin, jedoch habe ich gelesen das meine Krankenversicherung wohl die Möglichkeit hat mein Krankentagegeld auf null herabzusetzen (AVB § 4 Abs. 4 MB/KT) , da ich in den letzten Jahren keine Gewinne erzielt habe, das war bei Vertragsabschluss jedoch nicht vereinbart worden, wie bereits oben beschrieben.

2016 im Juli hat der BGH dazu folgendes Urteil (Az. IV ZR 44/15) gefällt:

Die Regelung über die Herabsetzung des Krankentagegeldes und des Versicherungsbeitrages in § 4 Abs. 4 der Musterbedingungen für die Krankentagegeldversicherung 2009 ist wegen Intransparenz unwirksam!

Hier das Urteil!

https://www.hcconsultingag.de/wp-conten ... gegeld.pdf

Hätte ich durch dieses Urteil jetzt Anspruch auf mein volles Krankentagegeld ohne Einkommensprüfung und somit ohne Herabsetzung durch meine Verluste in den vergangenen Jahren???

2018 habe ich von meiner Krankenversicherung dann ein Schreiben bekommen (nicht per Einschreiben) aus dem hervor geht, dass die Klausel (AVB § 4 Abs. 4 MB/KT) durch klarer Regelung ersetzt und angepasst wurde und somit trotz des BGH Urteils, bei gesunkenem Nettoeinkommen das vereinbarte Krankentagegeld entsprechend herabgesetzt werden kann.

Ist das Rechtskräftig im nachhinein? Ich habe ja seit 2002 den Vertrag? Urteil ist doch Urteil oder???

Ich habe folgendes gelesen:
Die „neue“ Klausel habe keine Rückwirkung auf bereits abgeschlossene Versicherungsfälle, sondern wirke nur in die Zukunft.


Ist das richtig und rechtskräftig???

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Paragraf 4 Absatz 4 MB/KT mit Urteil vom 06. Juli 2016 für unwirksam erklärt (Aktenzeichen IV ZR 44/15). Es ist laut dem Urteil auch eindeutig, dass er nicht ersetzt werden kann.
Dennoch schreiben die Versicherer die Bestandskunden an und versuchen neue AVB (MB/KT) in Kraft zu setzen, bei denen der Paragraf 4 Absatz 4 in geänderter Form wieder eingeführt wird.

Ist dies nicht Vertrags- und rechtswidrig???


Auch müssen die AVBs dem Kunden schon beim Vertragsschluss vor Augen führen, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden.

Das ist bei meinem Vertragsabschluss nie passiert!!!


Diesen Erfordernissen entspricht die Anpassungsklausel laut Bundesgerichtshof nicht.
Denn:
Ohne nähere Erklärung wisse der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht, was mit dem Begriff „Nettoeinkommen“ gemeint sei. „Er wird damit nicht in die Lage versetzt, für seinen konkreten Einzelfall zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen die Anpassungsklausel in Paragraf 4 Absatz 4 MB/KT dem Versicherer eine Herabsetzung des Tagessatzes ermöglicht und in welchem Umfang er letztlich Versicherungsschutz erlangen kann“, so der BGH. Die Klausel ist also unwirksam.

Der PKV-Verband hat still und heimlich Anfang 2017 die MB/KT 2009 geändert und den alten Paragrafen 4 Absatz 4 MB/KT durch folgenden neuen Wortlaut ersetzt.

Siehe Quelle: MB/KT 2009 (neue Fassung)

Die MB/KT 2009 hat er natürlich nicht umbenannt, etwa auf MB/KT 2017, sondern die Bezeichnung belassen. Wozu auch, denn so wächst schneller Gras über diese Sache. Die Verbraucher und Vermittler sollen scheinbar zunehmend davon ausgehen, dass das vorher schon so vereinbart war.

Dass der PKV-Verband gar keine neuen MB/KT mehr herausgeben darf, wird dabei gerne übersehen. Mit Datum 1. April 2010 wurde die Gruppenfreistellungsverordnung (Vers-GVO) geändert. Dadurch wurde exakt dieser Bereich (Verabschiedung gemeinsame Musterbedingungen) aufgehoben. Es kann also juristisch gar keine MB/KT 2017 geben, denn das wäre ja ein Verstoß gegen das Kartellrecht.

Ist das richtig???

Die Herabsetzungsbefugnis ist für die Fortführung der bestehenden Verträge völlig irrelevant, da bei der Herabsetzung ja nicht nur die Leistung, sondern auch der Beitrag herabgesetzt worden wäre. Nun erhält der Versicherer für die höhere Leistung auch den höheren Beitrag.

Ich glaube auch kaum, dass die neue Regelung die Interessen der Versicherungsnehmer berücksichtigt. Wir wissen nicht, ob die Verträge so abgeschlossen worden wären.
Die Mitgliedsunternehmen des PKV-Verbands haben sich offensichtlich abgestimmt und sowohl die MB/KT 2009 rückwirkend geändert als auch einheitliche neue Verbalisationen entwickelt und beginnen diese zu übernehmen.

Ist das nicht ein kartellrechtswidriges Verhalten und Vorgehen???

Dies bestraft zum Beispiel Selbständige, die erst einmal trotz gesundheitlicher Einschränkung weiterarbeiten, damit Einkommenseinbußen in Kauf nehmen und erst dann Krankentagegeld beantragen, wenn es gar nicht mehr geht.

Ich möchte mich nur erkundigen, ob mir ab dem 43 Tage, das ursprünglich vertraglich vereinbarte Krankentagegeld in voller Höhe zustehen würde, ohne Einkommensnachweis?
Oder, ob der Versicherer trotz des Urteils vom BGH das Recht hat mein Krankentagegeld aufgrund meiner Verluste entsprechend herabzusetzen?
Wie ist die aktuelle Rechstlage???

Vorab vielen Dank für Eure Mithilfe, für Eure Ratschläge und für die Erklärung zur aktuellen Rechtslage!!!
Bleibt Gesund in dieser skurrilen Zeit!

Gruss Juppi

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