Gesetzliche Krankenversicherung für Grundsicherungsemfänger

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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nanovers01
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Gesetzliche Krankenversicherung für Grundsicherungsemfänger

Beitragvon nanovers01 » 03.02.2011, 20:41

Hallo Experten,

Meine Mutter ist die letztel 12 Monate Pflichtkrankenversichert - ich zahle Unterhalt und Versicherungsbeiträge komplett.

Vorher war sie nie gesetzlich krankenversichert, bezog Grundsicherung und war "Sonderkrankenversichert" durch Sozialamt.

Jetzt wird wieder ein Antrag auf Grundsicherung gestellt. Soweit ich verstanden habe kann sie sich jetzt gesetzlich freiwillig versichern (richtig/falsch?). Ich war bei der Krankenkasse und die haben gesagt, dass es geht. Ich bin aber unsicher, ob ich das Thema richtig verstehe - ich will nicht, dass meine Mutter aus der gesetzlichen Versicherung rausfliegt wenn Sie die Grundsicherung wieder bezieht - da muss nichts schief gehen.

Deswegen ein Paar Fragen:

- Ist es sicher, dass nach dem man 12 Monate pflichtversichert war und danach Grundsicherung bezieht darf man in der gesetzlichen Versicherung freiwillig bleiben wenn man gleich den Beitritt erklärt? (Was muss ich hier noch prüfen? Mögliche Stolpersteine, ... wenn, ... aber sind willkommen!)

- Wenn ja, wie muss der richtige Ablauf aussehen? Wenn z.B. 01.03 ein Antrag auf Grundsicherung gestellt wird und der z.b. am 15.03.2011 rückwirkend zum 01.03 bewilligt wird, muss meine Mutter Antrag auf freiwillige Versicherung am 01.03 oder Erhalt der Bewilligung für die Grundsicherung?

Vielen dank!
Mit freundlichen Grüßen
Greg

heinrich
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Beitragvon heinrich » 03.02.2011, 20:55

mit welchem Status ist Mutter den "pflichtversichert".


Arbeitsverhältnis etwa ??
und wieso zahlst Du denn die Beiträge ??
bist Du etwa der Arbeitgeber ??

nanovers01
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Beitragvon nanovers01 » 03.02.2011, 21:31

Die ist nach SGB 5 §5 p13 b) pflichtversichert, steht in keinem Arbeitsverhältnis, Beiträge zahle ich freiwillig und ich bin kein Arbeitsgeber meiner Mutter.

heinrich
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Beitragvon heinrich » 03.02.2011, 21:58

Du meinst sicherlich, dass Sie Mitglied in der Bürgerversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ist.

Richtig, die ist eine Pflichtversicherung, bei der der Versicherte (oder wer auch immer, wie z.B. eine Sohn) die Beiträge selbst einzahlt.

Auch wenn es für die Beantwortung der Frage wohl überhaut nicht mehr wichtig ist (aber dazu später mehr), würde ich doch gerne wissen, warum denn erst seit ca. 12 Monaten eine Bürgerversicherung bestand.

Wie war denn der Versicherungsschutz vorher geregelt. Diese Bürgerversicherung gibt es schließlich seit 01.04.2007.

Evt. Rückkehr aus dem Ausland? oder oder oder

Rossi
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Beitragvon Rossi » 03.02.2011, 23:00

@Heinrich

Die Klamotte ist relativ einfach.

Bis vor 12 Monten war die Mami über den Empfang von lfd. Leistungen nach dem IV. Kapitel des SGB XII nach § 264 Abs. 2 SGB V (Kostenerstattung durch Sozialamt) abgesichert. Sie wurde deswegen gem. § 5 Abs. 8a SGB V nicht von der Kralle erwischt.

Nachdem der liebe Sohn dann Unterhalt gezahlt hat, entfiel der Anspruch auf die Leistungen nach dem IV. Kapitel des SGB XII und damit auch zwangsläufig die Absicherung über § 264 Abs. 2 SGB V. Jenes ergibt sich zwangsläufig aus § 5 Abs. 8a Satz 3 SGB V. Wenn der Anspruch auf die Leistungen nach dem IV. Kapitel für min. 1 Monat entfällt, wird die Mutti von der Kralle erwischt. Und wo war es wohl hier.

Es hätte aber gereicht, wenn der Poster nur 1 Monat den Unterhalt gezahlt hätte und der Anspruch auf die Leistungen nach dem IV. Kapitel für 1 Monat entfallen wäre.

Denn jetzt beantragt die Mutti wieder neu die Grundsicherungsleistungen, weil der Sohnemann die Unterhaltszahlung einstellt. Die Mutti bleibt dann allerdings - obwohl sie wieder Grundsicherunsleistungen erhält - gem. § 190 Abs. 13 Satz 2 SGB V in der Kralle.

So bringt man eine unversicherte Mutti wieder in die Solidargemeinschaft!

Der Vorteil an der Geschiche, nach 2 Jahren wird die Pflegeversicherung mitgezogen.

Also noch einmal an den Poster, stelle jetzt sofort den Antrag auf Grundsicherungleistungen, Mutti bleibt in der Solidargemeinschaft.
Mutti muss sich auch nicht freiwillig versichern, sie verbleibt in der Kralle.

heinrich
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Beitragvon heinrich » 03.02.2011, 23:15

hey rossi

den ersten Absatz des Fragestellers mit dem Unterhalt hatte ich zu schnell gelesen, sorry.

Die Rechtsfolge war mir aber klar.

Du hast natürlich alles richtig beschrieben.

Das war aber ein "lieber Sohn". Besonders lieb hat ihn sicherlich das Sozialamt/Grundsicherungsamt. Aber dies brauche ich Dir ja nicht zu erklären.

Rossi
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Beitragvon Rossi » 03.02.2011, 23:28

Jooh, Heinrich, wir haben solche Söhne sehr lieb.

Aber wie schon gepostet, nach 2 Jahren greift die Pflegeversicherung, was will man mehr.

Es gibt in diesem Zusammenhang schon die ersten sozialgerichtlichen Entscheidungen im Hauptverfahren. Die Kassen wollten natürlich diese Kunden nicht (sie haben diese Kunden ja nicht lieb) und es wurden die abenteuerlichsten Begründungen in den Ring geworfen. Leider ist man diesen Ausführungen nicht gefolgt.

Der Wortlaut von § 5 Abs. 8a Satz 3 SGB V ist auch mehr als eindeutig. Wenn der Anspruch auf die Grunsicherungsleistung für nur 1 Monat entfällt, dann wird man von der Kralle erwischt und verbleibt dort anschließend.

Innovativ und creativ ist hier allerdings die große Kasse mit dem A davor aus Bayern. Die in § 5 Abs. 8a SGB V genannte Frist von 1 Monat interessiert dort offensichtlich nicht, dort werden die Kunden erst aufgenommen, wenn der Anspruch für min. 6 Monate entfällt. Damit haben die Bayern in ihrer Selbstherrlichkeit den § 5 Abs. 8a SGB V mal so eben eigenwillig abgeändert.

Woher die große Kasse aus dem besonderen Bundesland allerdings die Rechtsgrundlage nimmt, verschweigt sie scharmvoll!

Ich war noch im Herbst 2010 in Bayern auf einem Seminar.

Ich fahre mit meinem Theo (Wohnmobil) schön durch die Innenstadt und mit mal sehe ich ein Schild an einer Hauswand. Dort stand druff BRK. Boah hat der Rossi gedacht, wat iss dat denn? Dann kam mit die Erleuchtung. Überall in Deutschland heißt es DRK (Deutsches Rotes Kreuz), nur in Bayern heißt es BRK (Bayrisches Rotes Kreuz). Von daher war mir klar, dort gelten andere Gesetze bzw. Normen.

Alles andere verschweige ich auch hier scharmvoll!

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Beitragvon nanovers01 » 04.02.2011, 22:26

Hallo Rossi,

Danke! Du bist ja wie ein Röntgen .... :))) ... auch Pflege ...

Mit § 190 Abs. 13 SGB V hat ein Rechtsanwahlt mich so belehrt, dass weil Sie jetzt eben keine Leistungsempfängerin ist, greift der Aussluss für SH-Emfänger nicht. Aber scheinbar habe ich den schlechten Anwahlt erwischt.

Für mich habe ich die Antwort des Anwalts so enterpretiert, dass es wohl einge SH-Hilfe Emfänger sein können, die Versicherungspflichtig arbeiten, b.z.w. Rentner wo z.B. die Rente nicht ausreicht. Und meine Mutti ich wohl keine Rentnerin.

Und, wie gesagt, § 5 Abs. 8a Satz 3 SGB V bei der Krankenkasse durchzusetzten war so aufwendig, dass ich mich auf "1-Monat Experiment" nicht getraut hatte.

Vielen dank!
Greg

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Beitragvon Rossi » 05.02.2011, 01:33

Tröste Dich nanovers01, es ist mehr als aufwendig solche Mitgliedschaften bei den Kassen durchzusetzen.

Es kommen dort die abenteuerlichsten Begründungen um die Ecke, die im Ansatz überhaupt kein rechtliches Fundament haben.

Mittlerweile habe ich schon mit Sozialhilfeträgern Beraterverträge abgeschlossen. Die Sozialhilfeträger schildern mir die innovative und creative Ablehnung der Kassen und ich bastele den Musterwiderspruch.

In bisher allen Fällen sind die Kassen innerhalb kürzester Zeit völlig eingebrochen und haben dem Widerspruch stattgegeben.

Für solche Fälle habe ich mir schon Musterwidersprüche zusammengebastelt, weil es immer die gleiche ignorante Ablehnung darstellt.

Für den § 190 Abs. 13 Satz 2 SGB V habe ich nachfolgenden Textbaustein:





Die am xx.xx.xxxx eingetretene Versicherungspflicht endet auch nicht durch den ab dem xx.xx.xxxx späteren Empfang der lfd. Leistungen nach dem IV. Kapitel des SGB XII durch die Stadt XXXX.

Der Gesetzgeber hat das Ende der Versicherungspflicht in § 190 Abs. 13 SGB V geregelt. Nach Satz 1 von § 190 Abs. 13 SGB V endet diese Versi-cherungspflicht zunächst mit dem Tag, in dem ein Anspruch auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall begründet wird. Dies könnte grundsätzlich der Empfang von lfd. Leis-tungen nach dem IV. Kapitel des SGB XII ab dem 01.09.2010 sein (vgl. § 5 Abs. 8a S. 2 SGB V) sein. Aber genau diese Problematik hat der Gesetzgeber schon in der Begründung zum Gesetzentwurf des GKV-WSG erkannt und bewusst geregelt. Dafür hat er nämlich extra den Satz 2 des § 190 Abs. 13 SGB V geschaffen, indem eindeutig geregelt wurde, dass dies nicht für Mitglieder gilt, die Empfänger von lfd. Leistungen nach dem III., IV., VI. und VII. Kapitel des SGB XII sind. Die Begründung zu diesem Gesetzentwurf lautet (siehe BT-DRS 16/3100 S. 159)

Die Regelung in Satz 2 stellt sicher, dass Personen, die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung geworden sind, auch dann Mitglied bleiben, wenn sie nach dem Beitritt Empfänger von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches werden.

Auch die deklatorische Anzeige meines Mandanten vom xx.xx.xxxx zur Versicherungspflicht ab dem xx.xx.xxxx steht dem überhaupt nicht entgegen. Denn die Versicherungspflicht und die daraus folgende Mitgliedschaft beginnt hier unweigerlich gem. § 186 Abs. 11 SGB "kraft Gesetz" ab dem xx.xx.xxxx.

Zusammenfassend bleibt daher festzuhalten, dass mein Mandant bei Ihnen am xx.xx.xxxx versicherungspflichtiges Mitglied gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V geworden ist. Ausschlusstatbestände liegen im Ansatz nicht vor und stellen einfach nur Wunschvorstellungen von Ihnen dar.





Nur mal so am Rande. Der Rossi verdient mit der innovativen und creativen Ablehnung der Kassen mittlerweile ne Menge Kohle. Der involvierten Fachanwält, den der Rossi einschaltet, natürlich auch.

Alles durch die Solidargemeinschaft finanziert!!!!

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Beitragvon Vergil09owl » 05.02.2011, 11:45

Nuja, die Bayern sind halt immer noch der Meinung 1870/71 gab es nicht, König Ludwig sei Dank.


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