Keine KV und Chance auf Jobaufnahme

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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Dankbar
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Keine KV und Chance auf Jobaufnahme

Beitragvon Dankbar » 11.08.2011, 13:40

Hallo,

ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten für dieses sehr hilfreiche Forum!

Ich habe hier jetzt schon viele Stunden zzgl. die letzte Nacht verbracht, und auch vieles begriffen. (Meinen zu langen Verzweiflungstext von letzter Nacht hab ich gelöscht und durch diese Version ersetzt.)

Ich habe länger als 01.04.2007 keine KV, war bis Hartz-IV-Ende zuletzt in der GKV, seither ohne Einkommen und Vermögen, ohne Arztbesuch in D und bei meiner Schwester gemeldet. Nun der sehr positive Part: Es geht aufwärts, ich habe überraschend schnell eine Festanstellung (höher als 401 €) gefunden.

Bisher habe ich gelernt: Durch Jobaufnahme besteht eine neue Versicherungspflicht, um (wieder) in GKV aufgenommen zu werden. Theoretisch kann mich jede beliebige GKV nehmen, eine Verpflichtung besteht nur bei meiner letzten GKV. Theoretisch liegt die Beweislast für die Voraussetzungen der rückwirkenden Versicherungs- und Beitragspflicht bei der Kasse, wenn hierzu die Angaben des potenziellen Mitglieds fehlen sollten. Tatsächlich ist leider das leidige Thema, dass die Kasse ohne vorige Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V die Mitgliedschaft nicht einträgt (wie im Forum bei zahlreichen ALG II-Fällen beschrieben.)

--> Gibt es hier einen Unterschied zwischen neue Versicherung wg. ALG II und neue Versicherung durch Jobaufnahme???

Selbstverständlich wäre es angenehm, wenn Fragen zur Vorversicherung vergessen werden. Aber bei selbst eingebrockter Kralle kann es halt krallen (frei nach Rossi).
Für mich ist aber viel wichtiger, dass ich meine Probezeit beim Arbeitgeber nicht negativ belaste.
Also was droht mir diesbezüglich?
Kann es passieren, dass die KK an den Arbeitgeber zurückmeldet: Nein, der ist bei uns nicht versichert, weil „ohne vorige Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a SGB V“?
Oder: Nein, der ist nicht versichert, bevor nicht alle Säumnisse bezahlt sind?

(Warum nur möchte der Arbeitgeber sozusagen vorab eine aktuelle Bescheinigung meiner KK?
Reicht es denn nicht, wenn ich angebe: aktuell keine KK, letzte GKV XXX. Die Vers.pflicht bei Jobaufnahme ist doch gegeben.)

Ich bin wirklich sehr dankbar für jede Antwort!
(und falls ich hier im Forum nicht richtig platziert bin, entschuldige ich mich, und bin dankbar für jeden maßregelnden Hinweis oder Tipp, wo ich Rat einholen könnte)

Liebe Grüße



[HIER NOCH FÜRS ARCHIV MEIN URSPRÜNGLICHER EINTRAG:]

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Verfasst am: 11.08.2011, 04:11 Titel: Keine KV und jetzt droht der Schuldenberg…
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Hallo,
ich sende ein herzliches Dankeschön an alle Beteiligten für dieses sehr hilfreiche Forum!
Ich habe hier jetzt schon viele Stunden verbracht, und auch vieles begriffen, insbesondere das furchtbare Ausmaß meiner bisherigen Untätigkeit und das weiteres Verdrängen nicht hilft. Und ich bitte um Verzeihung, dass ich verzweifelt noch Fragen habe, obwohl zu dem Thema schon so vieles so ausführlich bearbeitet wurde (aber irgendwie finde ich den Wald vor lauter Bäumen nicht).

Ich habe länger als 01.04.2007 keine KV, war bis Hartz-IV-Ende zuletzt in der GKV, seither ohne Einkommen und Vermögen, ohne Arztbesuch in D und bei meiner Schwester gemeldet. Endlich bereit für den pers. Neustart habe ich überraschend schnell eine Festanstellung (höher als 401 €) gefunden. Natürlich will der Arbeitgeber meine KV wissen.

Ich hoffte, der AG meldet mich bei meiner letzten GKV an und dann bleibt mir noch Verweigerung der Mitwirkung, (die aber, wenn ich das hier im Forum richtig verstanden habe[?], doch auch nur verschiebt und nicht [mehr o. selten] erfolgreich ist). Der AG überrascht mich mit der Aufforderung, dass ich aktiv von meiner KV einen aktuellen Nachweis einholen soll. Den bekomme ich doch sicher nur, wenn ich die Mitgliedschaft selbst beantrage. Und den Antrag bearbeiten die doch nur (zügig), wenn ich alle Angaben mache.

Bei meinen Überlegungen zur Nachzahlungsvermeidung bin ich nicht weiter gekommen. Heirat würde ja nur bzgl. Familienvers. hilfreich sein und Auslandsaufenthalt…hmm…hab ein paar Stempel im Reisepass, aber da werden sicher mehr Nachweise verlangt.

Wie verhalte ich mich nun richtig? Soll ich aktiv zu meiner letzten GKV gehen, den Mitglieds-Antrag stellen und auch gleich Antrag auf Stundung von möglichen Forderungen plus Antrag auf Ermäßigung? Reicht es aus, wenn ich Kontoauszüge vorweise, auf denen nahezu keine Einnahmen verbucht sind, um in die niedrigste Einstufung für die Nachzahlung zu kommen? Kann es tatsächlich Auswirkungen haben, wenn die GKV einem nach 3 Monaten nicht auf die Versicherungspflicht hingewiesen hat? Ich überlege, ob sich, falls ich via Family + Friends den Monsterbetrag aufbringen könnte, z. B. Säumniszuschläge wegverhandeln lassen? Viel Verhandlungsspielraum werde ich ja nicht haben, hat der Sachbearbeiter am Tisch überhaupt die Kompetenzen? (Die AW hierfür lautet sicher: je nach KV verschieden, aber evtl. hat doch jemand nützliche Erfahrungen)

Ich versuche herauszufinden, wie hoch die Nachzahlungskatastrophe ist. Ich habe die letzten 52 Monate nachzuzahlen, wahrscheinlich um die 140 €, also 7.420,00 €.
--> Gilt hier eine Verjährungsfrist von 4 Jahren, dann „nur“ 48x140, oder setzt Verjährung erst zum Jahreswechsel ein?
Dann gibt es die (anscheinend sofort fälligen) Säumniszuschläge.
Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, die länger als einen Monat säumig sind, müssen für jeden weiteren angefangenen Monat der Säumnis einen Säumniszuschlag i.H.v. 5 % des rückständigen, auf 50,00 Euro nach unten abgerundeten Betrages zahlen (§ 24 Abs. 1 a SGB IV)
--> Wie muss ich da rechnen?
Apr07: 140 € + 1 € Säumnis (auf 50 € abgerundet ergibt 100 € , davon 1% im ersten Monat)= 141 €
Mai07: 140 € + 141 € = 281+ 12,50 € Säumnis (auf 50 € abgerundet ergibt 250 €, davon 5%) = 293,50 € usw.
Kennt jmd. evtl. schon eine einsehbare Tabelle oder beherrscht jmd. mal eben Zinseszins mit integrierter Abrundung auf den nächsten durch fünfzig Euro teilbaren Betrag?

Und schließlich: Gibt es Erfahrungen zum Thema Bußgeld?
DIPLING schrieb: „Sich nicht zu versichern ist nicht strafbar und noch nicht mal eine Ordnungswidrigkeit.“ http://www.forum-krankenversicherung.de ... widrigkeit
Ich habe folgende Information zum Bußgeld:
Wer entgegen den Auskunfts- und Mitteilungspflichten nach § 206 Abs. 1 Satz 1 SGB V und § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB XI eine Auskunft oder Änderung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erteilt oder mitteilt, handelt nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 SGB V und § 121 Abs. 1 Nr. 3 SGB XI ordnungswidrig. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße (bis zu 2.500,00 Euro) geahndet werden.

Verängstigt und gewillt, mich den Ängsten zu stellen, danke ich schon mal sehr herzlich allen Helfenden!

Dipling
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Beitragvon Dipling » 11.08.2011, 15:24

Es gibt sicher Unterschiede zwischen der Versicherungspflicht aufgrund ALG2-Bezugs und der aufgrund Jobaufnahme.

Bei ALG2-Bezug kann die Kasse die Mitgliedschaft bei unmittelbar zuvor privat versicherten und (ehemals) hauptberuflich Selbständigen ohne KV ablehnen.

Das ist bei hauptberuflicher Jobaufnahme nicht der Fall. Ab einem Alter von 55 Jahren (leider kein Alter angegeben) löst die Jobaufnahme jedoch nur unter gewissen Bedingungen Versicherungspflicht in der GKV aus.

Gibt der Arbeitnehmer keine Krankenversicherung an, gilt folgendes:

§ 175 Abs. 3 SGB V:
"(3) Versicherungspflichtige haben der zur Meldung verpflichteten Stelle unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen. Wird die Mitgliedsbescheinigung nicht spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht vorgelegt, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherung bestand; bestand vor Eintritt der Versicherungspflicht keine Versicherung, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei einer nach § 173 wählbaren Krankenkasse anzumelden und den Versicherungspflichtigen unverzüglich über die gewählte Krankenkasse zu unterrichten. Für die Fälle, in denen eine Mitgliedsbescheinigung nach Satz 1 nicht vorgelegt wird und keine Meldung nach Satz 2 erfolgt, legt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen Regeln über die Zuständigkeit fest."

Der Arbeitgeber ist also auf jeden Fall zur Anmeldung verpflichtet, auch wenn der Arbeitnehmer keine Angaben zur Vorversicherung macht.
Für eine Ablehnung seitens der Kasse gibt es keine Rechtsgrundlage, auch darf sie die Aufnahme nicht von einem Antrag nach § 5(1) Nr. 13 SGB V (der in aller Regel hohe Nachzahlungsforderungen nach sich zieht) abhängig machen. Die Praxis zeigt leider, dass dieses manchmal doch vorkommt.

Falls doch ein Antrag nach § 5(1) Nr. 13 SGB gestellt wird, sei auf die Ermäßigungmöglichkeit nach § 186(11) SGB V verwiesen; ein solcher Ermäßigungsantrag führt jedoch oft zu einer langen Auseinanderetzung mit der Kasse und die Erfolgsaussichten sind ungewiss.

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Beitragvon Dankbar » 11.08.2011, 16:37

Vielen Dank, insbesondere für den Hinweis auf § 175 Abs. 3 SGB V.
Ich bin 40 Jahre alt.
Auch für den ersten Erfahrungswert "Die Praxis zeigt leider, dass dieses manchmal doch vorkommt." (also auch bei Jobaufnahme, nicht ausschließlich bei ALG2-Bezug) bin ich sehr dankbar!!!

Rossi
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Beitragvon Rossi » 11.08.2011, 22:53

Na ja dipling

Für eine Ablehnung seitens der Kasse gibt es keine Rechtsgrundlage, auch darf sie die Aufnahme nicht von einem Antrag nach § 5(1) Nr. 13 SGB V (der in aller Regel hohe Nachzahlungsforderungen nach sich zieht) abhängig machen. Die Praxis zeigt leider, dass dieses manchmal doch vorkommt.


Manchmal? Nee, sehr häufig, leider!

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Beitragvon Dankbar » 12.08.2011, 02:09

Ich gebe zu, dass die Kasse meine Aufnahme sehr wahrscheinlich verweigert/verzögert (selbst ohne Rechtsgrundlage) und mein neuer Arbeitgeber dies dann natürlich mitbekommt, erzielt seine Wirkung.

Gut, wenn ich also sage: Ich habe mir die Kralle eingebrockt und akzeptiere, dass wohl sowieso ein neues Versicherungsverhältnis bei Jobannahme mit erzwungenen Antrag nach § 5(1) Nr. 13 SGB einhergeht, dann sollte ich meiner Pflicht nachkommen: § 175 Abs. 3 SGB V: "(3) Versicherungspflichtige haben der zur Meldung verpflichteten Stelle unverzüglich eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen.
Dafür hätte ich dann zwei Wochen Zeit.

Kann es dann Sinn machen, dass ich alle GKVs besuche und frage, wie viel Ermäßigung möglich ist, wenn ich die ca. 8.000 EUR sofort einzahle. Oder werden die alle den Rahmen voll ausschöpfen bzw. nimmt einen 40-jährigen sowieso keiner mehr und nur meine letzte GKV verbleibt als Ansprechpartner?

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Beitragvon Dipling » 12.08.2011, 09:27

Alle GKVen zu besuchen macht keinen Sinn. Denn wenn es zu einem Antrag nach 5(1) Nr. 13 SGB V kommt, ist ausschließlich die letzte Kasse zuständig, bei der also zuletzt eine Versicherung bestand.

Auch die Ermäßigung ist weitgehend festgelegt, im Erfolgsfall auf den Anwartschaftsbeitrag von ca. 40 EUR pro Monat. Eher theoretisch ist auch ein vollständiger Erlass möglich. Die Ermäßigung setzt eine Begründung voraus, weshalb das Mitglied die verpätete Meldung nicht zu vertreten hat. Die Erfolgsaussichten sind wie geschrieben nicht sehr hoch.

Die andere Alternative ist, das Problem mit dem Arbeitgeber offen zu besprechen und sich ggf. auf eine Auseinandersetzung mit der Kasse einzustellen.
Wie diese aussehen kann, siehe ein Beispiel in einem anderen Forum:

http://www.krankenkassenforum.de/nicht- ... t5018.html

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Beitragvon Dankbar » 12.08.2011, 14:17

Danke sehr, Dipling!

1. Das würde bedeuten, dass in solchen Fällen, wo sich die Kasse mit dem Beschäftigten über die Versicherungspflicht auseinandersetzt, bis zur Klärung der Arbeitgeber fortlaufend in die Kasse einzahlt.

Bitte diesen Eintrag sofort löschen, wenn ich damit KK auf schlechte Ideen bringe: meine Horrorvorstellung, dass die KK an den Arbeitgeber zurückmeldet: „Der ist hier nicht versichert“ und ich so den Arbeitsplatz verliere, ist leider nicht auszuschließen. Habe diesen Fall aber in den Foren nicht entdeckt.

So oder so habe ich die Einsicht gewonnen, dass die offene Kommunikation mit dem Arbeitgeber sinnvoll ist.

2. Ich habe wohl jetzt erst richtig begriffen, was mir droht, wenn es zu einem Antrag nach 5(1) Nr. 13 SGB V kommt und ich für einen Stundungsantrag die "unverschuldete" iSd § 186 Abs 11 Satz 4 SGB V bzw. "nicht zu vertretende" Unterlassung der Anzeige der Pflichtversicherung nicht nachweisen kann.

Denn wenn ich nun Sabines Berechnung von Säumniszuschlägen (§ 186 Abs. 11 SGB V / Stundung der nachzuzahlenden Beiträge) richtig nachvollzogen habe, entsteht eine Gesamtschuld von nicht ca. EUR 8.000 sondern EUR 26.786 (in einer anderen Berechnung entstehen sogar EUR 34.000).

Da muss ich echt aufpassen, dass die blanke Angst mich nicht lähmt. Ich möchte gerne nach der Depression nun den Neustart mit Festanstellung. Die Alternative, die Festanstellung nicht anzunehmen und stattdessen (sozusagen von Bärliner49 inspiriert) zu heiraten und in der Familienversicherung 18 Monate ohne viel Erwerb durchzuhalten, fühlt sich für mich nicht so kraftvoll an wie endlich einen Vollzeit-Job.


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