39 Jahre | Selbstständig | Zurück in die KV?

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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anotherman
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39 Jahre | Selbstständig | Zurück in die KV?

Beitragvon anotherman » 28.02.2019, 15:58

Vorweg – vielen Dank für dieses Forum! Ich habe hier vor knapp vier Jahren schon einmal nachgefragt (hier) und damals eine sehr hilfreiche Antwort erhalten (vielen Dank, @Dipling!).

Leider hat sich damals keiner der Wege als gangbar erwiesen, und deinera mir das Risiko unkontrollierbarer Nachforderungen und damit einhergehender Pfändungen zu hoch war, habe ich seitdem alle nötigen Untersuchungen und Behandlungen aus eigener Tasche bezahlt.

Ich streife immer wieder durch dieses Forum und lese mit in der Hoffnung, auf Ansätze zu kommen, die für mich umsetzbar sein könnten.

Aktuell deutet sich mir an, dass sich mir womöglich zwei Wege bieten könnten, deren Potenzial ich gerne besser einschätzen können würde. Trotz all des Nachlesens und Recherchierens über die Jahre finde ich dieses Thema weiterhin ausgesprochen verwirrend und im Blick auf die Risiken – kompletter Existenzverlust – auch einschüchternd.

In anderen Worten – ich möchte gerne sicherstellen, dass ich weiß, was ich tue, bevor ich über ein gewisses Maß hinaus in Erscheinung trete.

Rahmenbedingungen:

  • 39 Jahre alt
  • aktuell selbstständig mit Gewerbe, Einnahmen unter der steuerlichen Freibetragsgrenze
  • nicht krankenversichert seit Einführung der Versicherungspflicht
  • davor zuletzt studentisch mitversichert in der GKV (2004)

Meine Möglichkeiten (laut meiner Recherche):

~~#~~ Möglichkeit 1: Wiedereintritt über die Familienversicherung ~~#~~

Ermutigt von diesem Beitrag hier:

Zur Aufnahme in die Familienversicherung der Ehefrau reicht m.E. hinsichtlich der Vorversicherung die Angabe "nicht gesetzlich versichert", was nicht wahrheitswidrig ist; eine offizielle Mitgliedschaft in der GKV besteht derzeit ja nicht, ebenso entfällt die Bescheinigung.


Ich bin zurzeit nicht verheiratet, meine Lebensgefährtin wäre jedoch offen für den Schritt. Sie ist in einer GKV versichert und wenn ich es richtig verstehe, könnte ich

  • meine Selbstständigkeit beenden, mein Gewerbe abmelden (ich komme nicht über die Maximalgrenze von 445,- EUR/Monat) und
  • sobald wir verheiratet wären, einen Antrag auf Aufnahme in ihre GKV im Rahmen der Familienversicherung stellen.

Anfallen würden – ich habe keinerlei Leistungen in Anspruch genommen – ca. 50,- EUR/Monat für vier Jahre an Nachzahlungen (ca. 2400,- EUR). Sobald diese gezahlt worden wären, bestünde voller Versicherungsschutz.

Sollte ich danach in eine Festanstellung wechseln, könnte ich aus der Familienversicherung in den regulären Versicherungsstatus wechseln.

~~#~~ Möglichkeit 2: Auswanderung ~~#~~

Ich verlege meinen Wohnsitz in das Ausland. Nach einem beständigen Aufenthalt von mindestens vier Jahren wären alle Ansprüche verjährt und ein Wiedereintritt in die GKV möglich, sofern für diese vier Jahre ein Versicherungsschutz im Ausland nachgewiesen werden kann.

Meine Fragen:

→ Schätze ich meine Möglichkeiten halbwegs richtig ein? ←

Im Speziellen

zu Möglichkeit 1:
  • Meine Lebensgefährtin ist im Nebenerwerb selbstständig (aktuell kein Einkommen) und zahlt KV-Beiträge nach einkommensabhängiger Beitragsbemessung. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie aus Rücklagen. Spielt das bei der Familienversicherung eine Rolle? Müsste sie abhängig beschäftigt sein, damit die Familienversicherung möglich wäre?
  • Was ist das Schlimmste, was passieren könnte, sollten wir diesen Weg einschlagen?

zu Möglichkeit 2:
  • Die Verjährung griffe ab dem Datum der Abmeldung in DE, vermute ich – stimmt das? Bzw. ab dem Datum der Wiederanmeldung in DE vier Jahre rückwärts?
  • Ist hier jedweder Versicherungsschutz im Ausland als Nachweis gültig? Oder muss er dem dt. KV-Schutz in seinen Leistungen, Bedingungen entsprechen?

Grundsätzlich

  • Welche Risiken bergen die beiden von mir beschriebenen Ansätze eurer Meinung nach?
    - im Besonderen:
    -- Ab wann begebe ich mich in das Risiko, eine Nachforderungsmaschinerie in Gang zu setzen, die ich nicht mehr stoppen kann?
    --- das hält mich unter anderem davon ab, offen mit einer GKV zu sprechen
  • Wisst ihr von Beratungsstellen, die hierzu kompetent und anonym beraten? Oder wäre der Gang zum Anwalt (Sozialrecht) der einzig belastbare und risikominimierte Weg?

Für jede Hilfe wäre ich ausgesprochen dankbar.

Dipling
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Re: 39 Jahre | Selbstständig | Zurück in die KV?

Beitragvon Dipling » 01.03.2019, 10:34

Beide Wege (Heirat, dadurch Mitversicherung oder Ausland) sind machbar, wenn man denn nur wegen der Krankenversicherung so weit gehen will.

Zur Aufnahme in die Familienversicherung ist der Status des Mitglieds unerheblich, es spielt keine Rolle ob pflicht- oder freiwillig versichert und aus welchen Mitteln die Beitragszahlung erfolgt. Im günstigen Fall erfolgt nur eine eingeschränkte Prüfung der Vorversicherung, d.h. ohne Nachzahlungen.

Die Risiken sind überschaubar. Vor der Gesetzesänderung im Jahr 2013 zur Beitragsermäßigung waren 5-stellige Nachzahlungsforderungen keine Seltenheit; seitdem sind die nachzuzahlende Beträge (auf Antrag und keine Leistungsinanspruchnahme vorausgesetzt) infolge der Verjährungsfrist von vier Jahren auf ca. 2400 EUR begrenzt. Die Verjährung setzt jeweils zum 01. Januar des Folgejahres ein. Z.B. am 01.01.2019 sind in 2014 fällig gewordene Beiträge verjährt. Allerdings sollte auch kein Anschein vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung erweckt werden, denn dann droht eine viel längere Verjährungsfrist von 30 Jahren.

Beiträge und damit auch Beitragsnachzahlungen sind im Jahr der Zahlung voll steuerlich als Vorsorgeaufwendungen absetzbar, was freilich nichts hilft, wenn der steuerliche Grundfreibetrag nicht ausgeschöpft wird. Bei Jobaufnahme mit höheren Einkünften sieht es schnell anders aus.


Wenn in Deutschland weder Wohnsitz noch gewöhnlicher Aufenthalt bestehen, schreibt das deutsche Gesetz keine Versicherungspflicht vor. Maßgeblich ist die Regelung im Wohnsitzstaat. Handelt es sich um einen EU-Staat, ist die dortige Versicherung (zuletzt gesetzlich oder privat) maßgeblich für die Zuordnung in die GKV oder PKV bei späterer Rückkehr nach Deutschland.

anotherman
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Re: 39 Jahre | Selbstständig | Zurück in die KV?

Beitragvon anotherman » 01.03.2019, 15:45

Vielen Dank für die schnelle Antwort, einmal mehr @Dipling!

Das wirft bei mir ein paar Verständnis- und Detailfragen auf.

Beide Wege (Heirat, dadurch Mitversicherung oder Ausland) sind machbar, wenn man denn nur wegen der Krankenversicherung so weit gehen will.

[...] seitdem sind die nachzuzahlende Beträge (auf Antrag und keine Leistungsinanspruchnahme vorausgesetzt) infolge der Verjährungsfrist von vier Jahren auf ca. 2400 EUR begrenzt.


Fragen

  • Schließe ich hieraus korrekterweise, dass ich auch auf meine letzte GKV zugehen könnte und auf Antrag – es gab keine Leistungsinanspruchnahme – höchstens die ca. 2.400,- EUR nachzahlen müsste?
  • Wie wäre hier auf meine bisher ausgeübte Selbstständigkeit und Gewerbetätigkeit zu blicken? Würde das nicht recht hohe mtl. Beiträge nach sich ziehen unabhängig von meinem bisherigen Realeinkommen selbst nach Beendigung der Tätigkeiten?

Allerdings sollte auch kein Anschein vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung erweckt werden, denn dann droht eine viel längere Verjährungsfrist von 30 Jahren.


Das ist genau einer der Punkte, die ich so verwirrend finde. Ich habe bisher für mich nicht klären können, was das genau heißt, woran das festgemacht wird und wie willkürlich diese Einordnung vorgenommen werden kann. Das würde anfallende Nachzahlungen ja dramatisch ansteigen lassen (hatte das mal vor einer Weile überschlagen und kam auf ca. 70.000,- EUR!). Deshalb auch meine Vorsicht.

Fragen

  • Weißt du hier etwas mehr?
  • Oder wo ich dazu weitere Informationen finde?

Weder über Google noch über die Suche hier im Forum konnte ich bisher dazu für mich einordbare Informationen finden.

Zur Aufnahme in die Familienversicherung ist der Status des Mitglieds unerheblich, es spielt keine Rolle ob pflicht- oder freiwillig versichert und aus welchen Mitteln die Beitragszahlung erfolgt. Im günstigen Fall erfolgt nur eine eingeschränkte Prüfung der Vorversicherung, d.h. ohne Nachzahlungen.


Frage

Heißt das, folgende Szenarien wären in dem Fall möglich?

  1. nur eingeschränkte Prüfung der Vorversicherung → keine Nachzahlungen
  2. nicht nur eingeschränkte Prüfung der Vorversicherung, kein Anschein vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung → auf Antrag ca. 2.400,- EUR Nachzahlung
  3. nicht nur eingeschränkte Prüfung der Vorversicherung, (willkürlich festgelegter?) Anschein vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung → uneingeschränkte Nachzahlung + Zinsen


Wenn in Deutschland weder Wohnsitz noch gewöhnlicher Aufenthalt bestehen, schreibt das deutsche Gesetz keine Versicherungspflicht vor. Maßgeblich ist die Regelung im Wohnsitzstaat. Handelt es sich um einen EU-Staat, ist die dortige Versicherung (zuletzt gesetzlich oder privat) maßgeblich für die Zuordnung in die GKV oder PKV bei späterer Rückkehr nach Deutschland.


Fragen

  • Gibt es hierfür (praktische?) Mindestaufenthaltsfristen?

    Ich wäre jetzt beispielsweise davon ausgegangen, dass ein ununterbrochener Auslandsaufenthalt (= kein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in DE) von mindestens vier Jahren nötig wäre, um die Verjährungsfrist auszunutzen und somit keine Nachzahlungen befürchten zu müssen.

  • Ab welcher Länge eines solchen Auslandsaufenthalts greift der Versicherungstyp des EU-Staats für die Zuordnung in DE?
  • Wie sieht es hierbei mit der Schweiz oder Kanada aus?

Dipling
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Re: 39 Jahre | Selbstständig | Zurück in die KV?

Beitragvon Dipling » 02.03.2019, 12:38

Die Höhe der Nachzahlung für den Nacherhebungszeitraum ist auf den sog. Anwartschaftsbeitrag begrenzt. Das ist ein Pauschalbetrag unabhängig vom tatsächlichen Einkommen und vom beruflichen Status.
Siehe auch das folgende Rundschreiben:
https://www.gkv-spitzenverband.de/media ... rmteil.pdf

Die lange Verjährungsfrist ist nur als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen, denn wenn man seit Jahren von der Versicherungspflicht weiss und sich trotzdem bei der Kasse nicht meldet und dies der Kasse gegenüber auch so kommuniziert, könnte dies als Vorsatz ausgelegt werden. Die Kasse ist beweispflichtig, wenn ausnahmsweise die lange Verjährungsfrist zum Tragen kommen soll; die Verjährung innerhalb von vier Jahren ist der absolute Regelfall.

Bei Wechsel der Kasse, also innerhalb des gesetzlichen Krankenversichungssystems, benötigt die aufnehmende Kasse stets eine Kündigungsbestätigung der bisherigen GKV. Diese entfällt, wenn keine oder eine private Vorversicherung vorhanden ist, was ich mit eingeschränkter Prüfung bei Aufnahme in die Familienversicherung meine. Was nicht ausschliesst, dass die aufnehmende GKV im Einzelfall trotzdem nachfordert.

Sobald in einem anderen EU-Staat oder der gleichgestellten Schweiz auch nur einen Tag eine gesetzliche Versicherung oder private Vollversicherung (eine Reisekrankenversicherung zählt nicht) bestand, gilt diese auf Grund der Gleichstellung mit inländischen Sachverhalten als letzte Vorversicherung. Und man kann bei Rückkehr in eine deutsche GKV eine Vorversicherung nachweisen.
Vorversicherungen in anderen Staaten wie etwa Kanada gelten nicht für die Zuordnung GKV/PKV. Siehe auch das aktualisierte Rundschreiben des GKV-Spitzenverbandes:
https://www.vdek.com/vertragspartner/mi ... 2.2018.pdf

anotherman
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Re: 39 Jahre | Selbstständig | Zurück in die KV?

Beitragvon anotherman » 02.03.2019, 14:12

Herzlichen Dank, @Dipling! Auch explizit für die zwei Quellen. Ich nehme mir jetzt erst einmal die von dir angeführten Dokumente vor und melde mich gegebenenfalls, sollte ich im Anschluss noch Fragen haben.


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