Schwanger, Selbstständig, Nicht EU-Ausländer und ohne KV. Was tun ?

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matthew
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Schwanger, Selbstständig, Nicht EU-Ausländer und ohne KV. Was tun ?

Beitragvon matthew » 17.01.2017, 22:47

Hallo Freunde,

ihr seit mein letzter Strohhalm. Eine gute Freundin von mir ist schwanger (30 - 35 J.) und seit zwei Jahren mit Visum in Berlin selbstständig tätig.
Sie kommt aus Israel und hat aus finanziellen Gründen keine für ihr Visum eigentlich obligatorische Krankenversicherung abgeschlossen.
Jetzt benötigt sie als Schwangere dringend einen Versicherungsschutz und ich versuche ihr in ihrer verzweifelten Situation zu helfen.

Hier nochmal die Eckdaten:

- Selbstständig im Bereich Kunstberatung (Künstlersozialkasse wurde abgelehnt)
- Aufenthaltsstatus: ununterbrochen legal in Deutschland seit 4.5 Jahren (zwei Jahre Visum als Sprachstudent, dann ein
Jahr selbstständig, aktuell ein erneutes zweijähriges Visum, das im Oktober 2017 endet
Bei Erteilung des Aufenthaltstitels vor 4.5 Jahren musste sie die Fähigkeit
zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts und einen KV-Schutz nachweisen.
Erstaunlicherweise steht im Zusatzblatt zum Aufenthaltstitel in ihrem Pass aktuell "Selbstständige Tätigkeit nicht gestattet
mit Ausnahme der Tätigkeit als Kunstberaterin. " Ob sie auch als Angestellte tätig werden darf weiss ich nicht genau. Sie meint NEIN.
- beschäftigt vorher in Israel als PR-Angestellte bei der Verwaltung, versichert in der staatlichen Pflichtversicherung für alle
(dort gibt es allerdings verschiedene Tarifstufen). In den letzten vier Jahren in Deutschland nur bis Okt 2015 über eine
ausländische private KV versichert
- schwanger und ohne jeglichen Versicherungsschutz

Meine eigene Bewertung bis jetzt:

- Gesetzliche Versicherung nimmt sie nicht (sie ist selbständig und aus dem Nicht-EU Ausland), Vielleicht könnte die Tatsache, dass sie in Israel in
einem öffentlichen System war helfen ?)
- private Versicherung nimmt sie nicht (Schwangerschaft), privater "Basistarif" (600 EUR vermutlich zu teuer,
ausserdem habe ich darüber sehr viel schlechtes gelesen).
- Sich mal eben anstellen zu lassen oder als Student einzuschreiben ist mit ihren Visabedingungen (vermutlich)
auch schwierig, ausserdem ist über 30 Jahre alt.

QUoi faire ? Was tun ? Habt ihr irgendeine Idee, irgendeine Hintertür ? Oder eine Richtung, in die man
gehen könnte ? In Israel ein Formular besorgen, "Basistarif" mit Beihilfe ? doch irgendwie in die Gesetzliche kommen ?
Muss ich sie zum Sozialamt schicken ? Haben die Schwangerschaftsberatungen vielleicht noch eine Idee ?

Vielen, vielen Dank im Voraus an euch alle !! Wenn ihr eine Idee habt, schreib mir bitte.
matthew

Rossi
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Re: Schwanger, Selbstständig, Nicht EU-Ausländer und ohne KV. Was tun ?

Beitragvon Rossi » 18.01.2017, 08:31

Von der Systemzuordnung gehört die Bekannte zur gesetzlichen Krankenversicherung. Denn die Systemzuordnung ist direkt vor bzw. nach der Einreise in Deutschland zu beurteilen. Im Heimatland war sie nicht selbständig, also keine PKV, sondern GKV. Direkt nach der Einreise war sie auch nicht selbständig, sondern Student und somit auch der GKV zuzuordnen. Die spätere Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit spielt hier keine Rolle.

Leider unterliegt sie nicht der allgem. Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung, da für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis der Lebensunterhalt und die Krankenversicherung gesichert sein musste (vgl. § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V). Daher keine Chance.

Anspruch auf den Basistarif hat sie auch nicht, da sie dem Personenkreis der GKV zugehörig ist, dort aber aufgrund des Ausschlusses in § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V (Lebensunterhalt und KV muss gesichert sein) nicht reinkommt.

Wenn in der Aufenthaltserlaubnis drinne steht, dass eine selbständige Tätigkeit (bis auf Kunstberatin) nicht gestattet ist, dann heißt das im Umkehrschluss, dass eine nichtselbständige Tätigkeit (Arbeiter) erlaubt sein müsste. Sonst hätte dies dort auch drinne stehen müssen.

D.h., ich würde vielleicht noch eben mit der Ausländerbehörde sprechen, aber eine nichtselbständige Tätigkeit, die Versicherungspflicht als Arbeitnehmerin auslöst, sollte möglich sein.

matthew
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Re: Schwanger, Selbstständig, Nicht EU-Ausländer und ohne KV. Was tun ?

Beitragvon matthew » 20.01.2017, 10:48

Hi Rossi,

vielen Dank für deine hilfreiche Antwort. Ich bin ein bisschen irritiert darüber, dass sie nach deinen Äusserungen sinngemäß weder der allgemeinen Versicherungspflicht unterliegt (also als Selbstständige nicht in die GKV kommt) aber aufgrund ihrer prinizipiellen Zugehörigkeit zum Personenkreis der GKV auch keinen Anspruch auf Aufnahme in die private Versicherung (Basistarif) hat. Damit sitzt sie ja in gewisser Weise zwischen allen Stühlen. Was wäre denn passiert, wenn sie vor einem Jahr, anstatt die Beiträge zu ihrer privaten KV einfach nicht mehr zu bezahlen den offiziellen Weg gegangen wäre ? Offenbarung beim Sozialamt und bezuschusster "Basistarif" oder (weil zum damaligen Zeitpunkt noch nicht schwanger) Zuschuss zur regulären, privaten KV würde ich denken. Aber das ist eine hypothetische Diskussion.

Du hast gesagt, dass die Systemzuordnung direkt vor bzw. nach der Einreise in Deutschland zu beurteilen ist. Das lässt hoffen.
Ich werde ihr sagen, dass sie noch einmal den Status ihres Aufenthaltstitels prüfen soll, ob nicht doch eine nichtselbstständige Tätigkeit möglich ist.
Sie hatte mir immer erzählt, dass sie nur als Kunstberaterin arbeiten darf, vielleicht stimmt das gar nicht, zumindest geht es nicht direkt aus ihrem Visumsaufdruck im Reisepass hervor, den ich mir angesehen habe. Noch drei Fragen (die dritte ist die Wichtigste):

- als selbstständige Kunstberaterin kommt sie also, so habe ich dich verstanden, definitiv nicht in die GKV (freiwillig GKV vesichert), obwohl sie in ihrer Heimat "gesetzlich" versichert war (Grund: Aufenthaltstitel erforderte Nachweis über KV und Lebensunterhalt) ?
- spielt es denn für eine Aufnahme in die GKV, sollte sie eine Beschäftigung aufnehmen, keine Rolle, dass sie vorher als Student bzw.
Selbstständige privat versichert war ?
- wenn sie eine Beschäftigung (z.B. 451 EUR/Monat oder mehr, richtig ?) aufnähme, könnte sie dann Probleme bei ihrem Antrag bekommen, den sie an
die GKV (z.B. Techniker Krankenkasse) stellt ? So weit ich weiß, fragen die in solchen Formularen doch immer nach den Vorversicherungszeiten und
da hätte sie eine Lücke von einem Jahr oder müsste etwas hinbiegen.

Vielen Dank und Grüße!!


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