Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

Moderatoren: Rossi, Czauderna, Frank

ElaNRW
Postrank3
Postrank3
Beiträge: 21
Registriert: 20.05.2016, 17:33

Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragvon ElaNRW » 04.06.2024, 03:17

Hallo Allerseits,

mein Mann ist verstorben und nun kommt seine Krankenkasse auf mich als Rechtsnachfolgerin zu.

Wir waren getrennt krankenversichert.
Er war selbständig und freiwillig gesetzlich versichert, hat monatliche Vorauszahlungen an die KK getätigt und die KK rechnet nun entsprechend des eingereichten ganzjährigen Steuerbescheides ab.

Folgende Frage zur Besonderheit:
Mein Mann war Jahre vor seiner Selbständigkeit als Arbeitnehmer tätig und (ganz normal) gesetzlich krankenversichert.
Sein AG wurde insolvent und mein Mann machte sich daraufhin selbständig.
Während eines Jahres seiner ausschließlichen Selbständigkeit erhielt mein Mann einmalig ca. 2.000 Euro brutto aus jener AG-Insolvenz. Davon hat der Insolvenzverwalter dann Lohnsteuer, Soli, RV, KV etc abgezogen und meinem Mann den verbleibenden Betrag überwiesen.

Nach meinem Verständnis sollte die Krankenkasse die von dem Insolvenzverwalter einbehaltenden und auf der Lohnsteuerkarte ausgewiesenen Beiträge an KV und PflegeV doch letztlich von dem insgesamt zu zahlenden KV-Beitrag abziehen, da die Kasse diesen ja bereits vereinnahmt hat.
Trotz dieser Kenntnis der Kasse (ist in dem Steuerbescheid ausgewiesen und ich habe zudem explizit darauf hingewiesen) wurde keine entsprechende Verrechnung in dem Kassenbescheid berücksichtigt. Zeitlich läuft die Widerspruchsmöglichkeit noch.

Als Nachweis habe ich lediglich die Lohnsteuerkarte, auf der die einbehaltenen KV-Beträge etc. stehen. Nicht zu erkennen ist, an welche Krankenkasse der Insolvenzverwalter die einbehaltenen Beträge abgeführt hat. (Ein Krankenversicherungswechsel aus AN-Zeiten zur Selbständigkeit lag jedoch nicht vor).

Wie ist eure Sicht? Und super wäre nach Möglichkeit auch eine Rechtsquelle.

Besten Dank und schöne Grüße, Ela

heinrich
Postrank7
Postrank7
Beiträge: 1364
Registriert: 17.10.2009, 09:02

Re: Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragvon heinrich » 04.06.2024, 08:50

Beiträge für Selbstständige sind zunächst vorläufig zu berechnen.
Mit Einreichung des Einkommensteuerbescheides (dazu sind auch die Rechtsnachfolger verpflichtet) werden die Beiträge aus diesem Einkommensteuerbescheid dann endgültig berechnet.
Die vorläufigen Beiträge (Du nennst es Vorauszahlungen) werden mit den endgültig berechneten Beiträgen gegenübergestellt. Es kommt dann zu einem Guthaben oder zu einer Nachberechnung.
Die Nachberechnung hat dann der Rechtsnachfolger zu tragen.

Ich vermute jetzt einmal, dass die 2000 EUR brutto im Einkommensteuerbescheid als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (also aus Arbeitnehmertätigkeit) steht.

Die KK sieht die 2000 EUR und berechnet aus den 2000 EUR die Beiträge zur freiwilligen Versicherung; was nach meinem Rechtsverständnis falsch ist. Im Rahmen der freiwilligen Versicherung (Kranken- und Pflegeversicherung) ist ein Beitragssatz von knapp 20 % zu zahlen.
Wir reden hier also über ca 400 EUR aus denen die KK jetzt die Beiträge, die nach meiner Auffassung falsch berechnet worden sind.

Du schreibst, dass die KK doch sehen müsste, dass aus 2000 EUR bereits Beiträge gezahlt wurden.
Das sieht die KK aber nicht. Für den ehemaligen Arbeitgeber (der insolvent ist) gehen für ALLE Arbeitnehmer die Beiträge in EINER EINZIGEN Summe ein. Daraus kann man den Beitrag des einzelnen Arbeitnehmer NICHT erkennen.

Ist die Nachzahlung z.B. 1000 EUR, dann beziehen sich 600 EUR (1000 – 400) natürlich nicht auf die Zahlung aus der Insolvenz, sondern weil die tatsächlichen Einnahmen aus den Jahr der Selbstständigkeit höher waren als die Vorauszahlungen (endgültig höher als vorläufig).

Ich würde wie folgt argumentieren,damit die 2000 EUR (400 EUR Beitrag) gestrichen werden:




1.
Es gibt den GRUNDSATZ, dass laufendes Arbeitsentgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis dem Zeitraum (Monat/Jahr) zuzuordnen ist, in dem dieses ERZIELT (erarbeitet) worden ist.
Zahlungen bzw. Nachzahlungen von laufendem Arbeitsentgelt ist dem Monat er Erarbeitung zuzuordnen (Urteil des Bundessozialgerichtes vom 09.09.1971; schöne Auflistung bei der Miele BKK https://www.miele-bkk.de/arbeitgeber/ar ... eltkatalog

2.
Wäre es erarbeitetes Geld aus dem Jahr xxxx (dem Jahr worum es hier geht) würde schließlich auch eine Anmeldung zur Sozialversicherung erfolgt sein. Bei einem Mini-Job zur Mini-Job-Zentrale bzw. bei einer eigentlich versicherungspflichtigen Beschäftigung in der Beitragsgruppe 0110 (also zur Renten- und Arbeitslosenversicherung). Beides ist NICHT der Fall. Es gibt für das Jahr xxxx KEINE Meldung zur Sozialversicherung.

Auch daraus ist zu erkennen, dass die 2000 EUR beitragsrechtlich NICHT der freiwilligen
Versicherung für das Jahr xxxx (dem Jahr worum es hier geht) zuzuordnen sind.

3.
Ferner fügst Du die Unterlagen bei (Lohnsteuerkarte) bei aus der sich der Abzug der Beiträge zu SEHEN ist. Das konnte die KK (wie bereits beschrieben) nicht erkennen.
Dazu teilst dann mit, dass dies Deine Argumentation zu Punkt 1 und 2 untermauert und es ja nicht sein kann, dass eine doppelte Beitragsberechnung erfolgt.


TiPP: Führe ein Gespräch mit der KK. Erwähne die Punkte. Sage doch, dass es doch den GRUNDSATZ gibt, dass LAUFENDE Einnahmen aus Arbeitsentgelt (Bezüge aus Arbeitsverhältnis) dem Zeitraum der Erarbeitung (also VORr der Selbstständigkeit) zuzuordnen sind.

Sollte das Gespräch (am besten mit dem Entscheider und nicht mit einer Hotline) nicht zum Erfolg führen---- dann schreibst Du halt eben deine Auffassung (Widerspruch). Mit einem Gespräch kann alles sehr schnell geklärt sein. Ein Widerspruch daaaaaauert.

PS 1: die 2000 EUR stehen sicherlich im Einkommensteuerbescheid xxxx, weil das steuerlich so sein muss. Im Steuerrecht gilt das Zuflussprinzip. Im Sozialversicherungsrecht für laufenden Einnahmen das Erarbeitungsprinzip

PS 2: Ich musste hier bei meiner Antwort quasi im Blindflug argumentieren, weil ich die Unterlagen ja nicht sehe. Dabei musste ich einige Dinge unterstellen. Liegt der Fall nur ein wenig anders, kann es andere Lösungen geben. Meine Antworten und Ideen sind ohne Gewähr (obwohl, ich mir schon ziemlich sicher bin)

PS: 3 Die KK musste auf den ersten Blick so handeln, dass sie die 2000 EUR als beitragspflichtige Einnahmen ansieht.

PS 4:Wenn Du jetzt so argumentierst wie ich geraten habe, dann würde ich, wenn ich als Entscheider für Dich zuständig wäre, die 2000 EUR wieder streichen und 400 EUR weniger berechnen.

ElaNRW
Postrank3
Postrank3
Beiträge: 21
Registriert: 20.05.2016, 17:33

Re: Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragvon ElaNRW » 04.06.2024, 11:54

Hallo heinrich,

vielen lieben Dank für deine sehr ausführliche und verständliche Antwort!!

Auf der Lohnsteuerkarte steht:
Besondere Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr xxx
Ausschüttung nach § 38 InsO
Zeile: Entschädigungen / Ausschüttung für mehrere Kalenderjahre 2000 Euro

Unter deinem Miele-Link bin ich nicht wirklich fündig geworden, habe jedoch dies hier gefunden:
Derart habe ich dich auch in deinen Ausführungen verstanden:
"Die Ermittlung der Sozialversicherungsbeiträge ist grundsätzlich an den Entstehungszeitpunkt gebunden. Dem gegenüber unterliegt die Ermittlung der steuerlichen Abgaben (Lohnsteuer) grundsätzlich dem Zuflussprinzip."

und "Beitragsschuldner gegenüber der Sozialversicherung ist gemäß §§ 28 d und e SGB IV, 253 SGB V und 174 Abs. 1 SGB VI allein der Arbeitgeber, hier der Insolvenzverwalter (Abführungspflicht). Darüber hinaus ist in § 28 e SGB IV geregelt, dass „die Zahlung des vom Beschäftigten (Arbeitnehmer) zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrages als aus dem Vermögen des Beschäftigten erbracht gilt“."
Beides aus Quelle: https://www.thegoodconsultants.de/infos ... der-netto/

Sofern ich deinen dankenswerten Hinweis auf das steuerliche Zufluss- gegenüber dem Sozialversicherungs-Entstehungsprinzip richtig verstehe, sollte die Krankenkasse doch den ausgewiesenen Insolvenzlohn (2.000 Euro) der Vorjahre aus den sozialversicherungspflichtigen Einkünften herausrechnen MÜSSEN, oder?

Dem Grunde nach hat die KK doch den ausgewiesenen AN-Beitrag SOWIE den auf der Steuerkarte nicht ausgewiesenen AG-Beitrag bereits durch den treuhänderisch arbeitenden Insolvenzverwalter erhalten und begehrt diese BEIDEN Anteile nun von mir erneut, oder?

DANKE!!!
Ela

heinrich
Postrank7
Postrank7
Beiträge: 1364
Registriert: 17.10.2009, 09:02

Re: Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragvon heinrich » 04.06.2024, 12:22

hallo Ela,

Du schreibst mehrfach... oder ?

Ja, du hast alles richtig verstanden.

Ich würde jetzt so vorgehen, wie ich es schon beschrieben habe.

im link der miele-BKK
https://www.miele-bkk.de/arbeitgeber/ar ... eltkatalog

Arbeitsentgeltkatalog in alphabetischer Übersicht

Bezeichnung der Einnahme Arbeitsentgelt ja/nein Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt Laufendes Arbeitsentgelt Rechtsquellen, Beurteilungskriterien, Erläuterungen

Nachzahlung von laufendem Arbeitsentgelt, z.B. Mehrarbeitsvergütung ja (9) – × BSG, Urteil vom 09.09.1971, USK71151


Das X steht dort unter der Spalte "laufendes Arbeitsentgelt".


Jetzt mal kurz: wenn Du jemand bei deiner KK an der Strippe hast, müsste eigentlich ausreichen.
Hallo Frau/Herr... die 2000 EUR sind eine Nachzahlungen aus LAUFENDEN Arbeitsentgelt für ein Jahr yyyy, jedoch nicht für Jahr xxxx.
Das allein müsste schon ausreichen. Mir hätte und würde es ausreichen, wenn ich dein Entscheider bin.

NUN: ruuuuuf dort an--mach et, dat tut erst mal nicht weh.

ElaNRW
Postrank3
Postrank3
Beiträge: 21
Registriert: 20.05.2016, 17:33

Re: Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragvon ElaNRW » 04.06.2024, 12:29

nein, ich habe nur diesen Eintrag hier im Forum

ich muss leider los und setz mich später wieder dran ...

dank´ dir für die Infos und das Mutmachen;-)

ElaNRW
Postrank3
Postrank3
Beiträge: 21
Registriert: 20.05.2016, 17:33

Re: Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragvon ElaNRW » 11.06.2024, 14:08

Hallo Heinrich,

dir zur Info:

ich habe soeben mit der Bescheidbearbeiterin telefoniert.
Deine Begründung habe ich vorgetragen und dies hat dazu geführt, dass sie den Bescheid korrigiert, jedoch lediglich um den AN-Anteil der KV; beim abgeführten AN-Anteil der PV wollte sie letztlich nicht mitgehen und bei dem AG-Anteil erst recht nicht.

Naja, sie schickt nun die 2. Korrektur in dieser Sache, auf die dann eben erneut ein Widerspruch erfolgen wird.

Grüße, Ela

ElaNRW
Postrank3
Postrank3
Beiträge: 21
Registriert: 20.05.2016, 17:33

Re: Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragvon ElaNRW » 04.07.2024, 12:54

Hallo Heinrich,
nun ist es letztlich so gerechnet worden wie du es geschreiben hast: die Insolvenzverwalter-Nachzahlung aus Vorjahren wurde nicht verbeitragt.
Dies hat sich also erledigt.
Danke und Grüße
Ela

heinrich
Postrank7
Postrank7
Beiträge: 1364
Registriert: 17.10.2009, 09:02

Re: Berücksichtigung von abgeführten KV-Beiträgen aus Tabellenforderung der AG-Insolvenz

Beitragvon heinrich » 04.07.2024, 15:04

prima, mehr ist nicht drin


Zurück zu „Allgemeines GKV“

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 28 Gäste