Beitragsrückerstattung bei niedrigerem Einkommen als vermut?

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Ulf1
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Beitragsrückerstattung bei niedrigerem Einkommen als vermut?

Beitragvon Ulf1 » 12.04.2010, 18:03

Hallo, eine ältere Bekannte ist u.a. wg. Depression jahrelang mit ihren Steuererklärungen im Rückstand gewesen, wurde als Freiberuflerin wg. fehlender Einkommensnachweise in der gesetzl KKV auf den Höchstsatz gesetzt. Jetzt hat sie ihre Steuererklärungen endlich fertiggebracht, denen zufolge sie viel weniger hätte bezahlen müssen.
Kann sie mit diesen Einkommensnachweisen (und ggf. Attest der Depression) nun - erfolgreich - eine entsprechende Beitragsrückzahlung beantragen - ggf. wie viele Jahre rückwirkend?
1000 Dank! Ulf

Czauderna
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Re: Beitragsrückerstattung bei niedrigerem Einkommen als ver

Beitragvon Czauderna » 12.04.2010, 19:30

Ulf1 hat geschrieben:Hallo, eine ältere Bekannte ist u.a. wg. Depression jahrelang mit ihren Steuererklärungen im Rückstand gewesen, wurde als Freiberuflerin wg. fehlender Einkommensnachweise in der gesetzl KKV auf den Höchstsatz gesetzt. Jetzt hat sie ihre Steuererklärungen endlich fertiggebracht, denen zufolge sie viel weniger hätte bezahlen müssen.
Kann sie mit diesen Einkommensnachweisen (und ggf. Attest der Depression) nun - erfolgreich - eine entsprechende Beitragsrückzahlung beantragen - ggf. wie viele Jahre rückwirkend?
1000 Dank! Ulf


Hallo,
ich gehe mal davon aus dass die Betroffene selbständig ist ??
Aber auch wenn nicht, ich sehe da keine Chance wenn es da um mehrere Jahre geht, jedenfalls rechtlich. Natürlich kann sie es probieren, aber wie gesagt, ich sehe da schwarz - auch wenn ich aufgrund meiner Tätigkeit weiss wie schlimm solche Erkrankungen sein können, aber 365 Tage im Jahr depressiv und das über mehrere Jahre, da muesste ja die komplette Geschäftsfähigkeit weg gewesen sein ?
Gruß
Czauderna

Rossi
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Beitragvon Rossi » 16.04.2010, 21:59

Nun denn, ich sage immer, nichts ist unmöglich. Ist genauso wie bei Toyota.

Es dürfte immer auf den Einzelfall ankommen.

Hat die Kasse die Einstufungsbescheide, aufgrund der Tatsache, dass die Einkommenssteuerbescheide nicht vorgelegt wurden, vorläufig oder endgültig festgesetzt.

Es dürfte also auf die Formulierung in den Bescheiden ankommen.

Es gibt hierzu auch eine BSG-Entscheidung aus dem Jahre 2009:

Entgegen der Auffassung der Beklagten und der Vorinstanzen lässt sich eine solche Nichtberücksichtigung vorgelegter Einkommensnachweise auch nicht aus § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V aF entnehmen. Diese Vorschrift regelt, dass Veränderungen der Beitragsbemessung aufgrund eines vom Versicherten geführten Nachweises nach Satz 2 nur zum ersten Tag des auf die Vorlage dieses Nachweises folgenden Monats wirksam werden können. Damit führt der Nachweis geringerer Einkünfte zur Beitragsänderung nur mit Wirkung für die Zukunft und wirken sich insbesondere Einkommensänderungen sowohl positiv als auch negativ nur zeitverzögert auf die Beitragshöhe aus (Urteil des Senats vom 22.3.2006, B 12 KR 14/05 R, BSGE 96, 119 = SozR 4-2500 § 240 Nr 5). Beitragskorrekturen für die Vergangenheit aufgrund der Vorlage eines Steuerbescheides sollten durch diese Regelung vermieden werden (vgl BT-Drucks 12/3937 S 17). Diese Regelung erfasst weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck die erstmalige endgültige Feststellung der Beitragshöhe eines hauptberuflich Selbstständigen, wenn zunächst zu Beginn der selbstständigen Tätigkeit vorläufig lediglich Mindestbeiträge festgesetzt worden waren, weil ein Nachweis über die Höhe der Einnahmen wegen fehlender Steuerbescheide nicht möglich war, und nunmehr für die Vergangenheit die vorläufige durch eine endgültige Beitragsfestsetzung ersetzt wird. In diesem Fall war gerade auf eine endgültige, bei Nachweis geringerer Einnahmen nur mit Wirkung für die Zukunft abänderbare Beitragsfestsetzung verzichtet worden, weil kein Nachweis über die Höhe der Einnahmen bei Beginn der selbstständigen Tätigkeit geführt werden konnte. Dem würde es widersprechen, bei der endgültigen Beitragsfestsetzung bis zum Tag der Vorlage von Steuerbescheiden dennoch für die Vergangenheit Höchstbeiträge festzusetzen.

Für micht stellt sich im weiteren auch die Frage, aber ich bin ja kein Sofa, wie es mit der Wunderwaffe nach § 44 SGB X aussieht?

Diese Wunderwaffe ist den Kassen allerdings im Ansatz leider nicht bekannt, ist zumindest meine bisherige Erfahrung:

§ 44 SGB X Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts



(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.


Wenn also bei Erlass des Bescheides die BBG berücksichtigt wurde, obwohl das Einkommen tatsächlich nicht in dieser Höhe zur Verfügung stand, dann ist doch die Kasse wohl von einem falschen Sachverhalt ausgegangen und hat deswegen die Beitragsdifferenz zu Unrecht gefordert. In dieser Konstellation ist der Bescheid dann auch, nachdem die Widerspruchsfrist abgelaufen ist, zurückzunehmen.

Dies gilt allerdings nicht, wenn der Versicherte vorsätzlich falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht hat.

Meines Erachtens trifft dies auch nicht zu; die Betroffene konnte den Steuerbescheid nicht vorlegen, weil sie ihn nicht hatte. Da ist weder Vorsatz noch sonst irgendetwas zu unterstellen.

So und nicht anders verstehe ich auch die Regelungen in § 240 Abs. 4 SGB V.

Man muss nämlich hier unterscheiden, dass der Bescheid von Anfang an rechtswidrig war, weil die falschen Einkünfte berücksichtigt wurden.

Alles andere dürfte gilt nur gelten, wenn beim Erlass eines Bescheids über die Beitragshöhe zunächst alles richtig gemacht wurde, später sich aber durch die Vorlage des Steuerbescheids die Einkünfte verringern und der Kunde es einfach nicht für erforderlich hält, den geänderten Steuerbescheid der Kasse vorzulegen. Hier war der Versicherte schlampig und soll durch die Schlampigkeit nicht belohnt werden.

Aber so einen Sachverhalt haben wir hier nicht!

Sorry, wenn ich so einen Sachverhalt lese, dann kommt wieder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ins Boot. Niemals mit Kanonen auf Spatzen schießen. Was hier gemacht wird, verschweigt der Rossi scharmvoll bzw. erspart sich jeden Kommentar.

heinrich
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Beitragvon heinrich » 16.04.2010, 23:10

wie lange ist die Bekannte denn schon im Höchstsatz (Beitragsbemessungsgrenze) eingestuft.
Ab wann genau.

Was steht denn da drin.

Evt. solche Worte wie
"wegen fehlender Mitwirkung oder Sie haben auf unsere Anfragen (vom und vom und vom) nicht geantwortet.

Hat sie denn geantwortet gehabt ohne einen Nachweis beizufügen oder hat sie überhaupt nicht geantwortet.

Welche Einkünft hat sie (Art: z.B. Rente Mieteinnahmen) und in welcher Höhe.

Wurde denn der Beitrag jetzt reduziert. Wurden die Angaben jetzt nachgeholt. Wie hoch ist denn jetzt (ab wann ??) der Beitrag.

Danach Antwort

Rossi
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Beitragvon Rossi » 16.04.2010, 23:21

Okay Heinrich,

Danach Antwort




Was ist denn mit der Wunderwaffe des § 44 SGB X. Habt ihr solche Fälle bei Euch noch nie nach dieser einschlägigen Vorschrift beurteilt. Gilt diese Vorschrift für Euch nicht?!

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Beitragvon RHW » 17.04.2010, 21:45

Hallo,
ja, völlig korrekt: für Krankenkassenmitarbeiter besteht immer die Gefahr, dass der § 44 SGB X vergessen wird.
Ich verstehe hier den § 240 SGB V aber etwas Anders:
http://bundesrecht.juris.de/sgb_5/__240.html
Nach Absatz 1 ist jeder nach seiner Einnahmehöhe einzustehen.
Nach Absatz 4 Satz 2 gilt aber die Regelung, dass für Selbstständige die Beitragsbemessungsgrenze zu Grunde zu legen ist. Hiervon gibt es wieder eine Ausnahme: wenn geringere Einnahmen nachgewiesen werden (geringere Einstufung aber nur für die Zukunft).
Das zitierte Gerichtsurteil bestätigt m.E., dass als Nachweis nur Steuerbescheide berücksichtigt werden.
Fazit: Die Einstufungsänderung für die Vergangenheit ist m.E. nur möglich, wenn bisher noch keinerlei Steuerbescheid als Selbständiger eingereicht wurde und daher die Einstufung bisher nur unter Vorbehalt erfolgte.
Der § 44 SGB X würde beispielsweise greifen, wenn die Krankenkasse versehentlich die doppelte Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt hätte.

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Beitragvon heinrich » 19.04.2010, 07:52

hallo Rossi,

aus welchem Urteil (des Jahres 2009) zitierst Du denn hier.

Kannst Du mir mal das Datum benennen.


Wenn Ulf1 dann auch geantwortet hat, beantworte ich noch die Frage zu 44 SGB X.

Czauderna
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Beitragvon Czauderna » 19.04.2010, 10:08

Rossi hat geschrieben:Okay Heinrich,

Danach Antwort




Was ist denn mit der Wunderwaffe des § 44 SGB X. Habt ihr solche Fälle bei Euch noch nie nach dieser einschlägigen Vorschrift beurteilt. Gilt diese Vorschrift für Euch nicht?!


hallo Rossi,
ich kann nur sagen, solange ich das entschieden habe wurde das rückwirkend geändert wenn die entsprechenden Nachweise vorgelegt wurde-
Man muss allerdings dazu sagen dass es sich hier meist nur um einige Monate handelt, keinesfalls um Jahre und schon garnicht um einen Selbständigen, der über Jahre hinaus keine Einkommenssteuererklärung abgegeben hatte.
Depressiv ?? - dann muesste dies auch bei der Kasse leicht festzustellen sein - so etwas wird doch behandelt, kostet Geld und verursacht auch bisweilen Arbeitsunfähigkeit.
Gruß
Czauderna


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