ALG2 - Probleme mit GKV

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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Rossi
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Beitragvon Rossi » 19.03.2012, 19:29

Nun denn, da wirst Du dir aber die Hacken abrennen.

In § 5 Abs. 5a SGB V steht nur, wer privat versichert ist. Ferner besteht ja eine Verpflichtung die PKV aufzustocken. Genau deswegen musst Du ja auch einen Strafzuschlag zahlen.

Darauf wird die GKV im Ansatz nicht eingehen.

Tja, ob ein Fachanwalt da wirklich fit ist? Der Anwalt bekommt für solche Geschichten nur 260,00 € zzgl. Mehrwertsteuer. Ob dies für einen Anwalt lukrativ ist, na ja?!?

Ich würde Dir empfehlen die beim BSG anhängigen Verfahren näher unter die Lupe zu nehmen. Bei einem Verfahren geht es genau um so eine Mitgliedsbescheinigung. Dann würde ich im Netz nach den Vorentscheidungen suchen und mal gucken, was dort gewesen ist. Danach würde ich die Taktik für die Schlacht beurteilen.

So einfach wird jenes nicht werden. Das Mitgliedschaftsrecht in der GKV ist ein sog. Massengeschäft. Da passieren manchmal Fehler. Na ja, es kommt natürlich immer druff an.

Charvaron
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Beitragvon Charvaron » 19.03.2012, 20:29

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Beitragvon Rossi » 19.03.2012, 20:31

Sooh, gucke mal, dies Verfahren ist beim BSG anhängig.

Hessisches Landessozialgericht L 8 KR 154/09 29.04.2010

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=131829&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

Hier hatte die Kasse etwas an die Bummelbacken bekommen. Allerdings wurde hier nicht nur die Mitgliedsbescheinigung ausgstellt, sondern auch das sog. Begrüßungsschreiben.

Zitat aus dem Urteil:

Wichtiges Dokument für Ihren Krankenversicherungsschutz" und folgenden weiteren Text: "Sehr geehrte Frau A., vielen Dank, dass Sie der AOK Hessen Ihr Vertrauen schenken. Damit haben Sie für Ihre Gesundheit einen starken Partner an Ihrer Seite. Das zeigt sich ganz besonders dann, wenn Sie ihre Arbeitsstelle wechseln oder neue Arbeit suchen. Es liegt uns besonders am Herzen, dass das Arbeitsamt Sie reibungslos bei der AOK Hessen anmelden kann – einfach, schnell und unkompliziert. Deshalb erhalten Sie von uns heute Ihre fertig ausgefüllte Mitgliedsbescheinigung. Denn wir möchten, dass Sie nicht mit "Schreibkram" belastet sind und sich bei uns rundum wohl fühlen. Wenn Sie noch weitere Fragen haben, ..." und den Zusatz "Hinweise zur Verwendung der Mitgliedsbescheinigung lesen Sie bitte auf der Rückseite!"

Ich würde die Unterlagen noch einmal genau durchsehen und nach so einem Teil suchen, dann hast Du relativ gute Chancen.

Ferner würde ich im Widerspruchsverfahren durch den Fachanwalt noch nicht sofort dezidiert mit diesen Klamotten um die Ecke kommen. Man verschiesst ja nicht sofort das gesamte Pulver, oder? D.h., nicht die Urteile zitieren etc. Einfach nur auf die Mitgliedsbescheinigung pochen und um Eintragung der Mitgliedschaft bitten.

Wenn Du hingehst und schon jetzt auf die Urteile verweist, dann könnte die Kasse wach werden. Wenn die Kasse wach wird, dann wird sie vorsichtshalber den vermeintlichen Verwaltungsakt (Mitgliedsbescheinigung mit Begrüßungsschreiben) schriftlich nach § 45 SGB X für die Zukunft aufheben. Und dann ist der Bekannte wird Wirkung für die Zunkunft draussen und steht dann wieder im Regen mit dem Basistarif.

Also lässt Du die Kasse weiter im dunkelen tappen und lehnst Dich erst einmal gemütlich in den Sessel zurück. Du belässt die Kasse in der Wunschvorstellung, dass eine Stornierung einfach möglich und wartest ab was kommt. Du solltest auf jeden Fall den Widerspruchsbescheid abwarten und danach dann ins Klageverfahren einsteigen.

Wenn dann 2 Jahre vergangen sind, dann holst Du das Trumpf As aus dem Keller und kommst mit den zitierten Urteilen um die Ecke gewackelt.

Dies ist auch relativ einfach zu begründen; es müssen 2 Jahre vergehen; der Widerspruchsbescheid mit der Stornierung muss in der Welt sein; bevor Du zurückballerst. Denn die Kasse muss den sog. Verwaltungsakt innerhalb von 2 Jahre spätestens formell aufheben. Tut die Kasse dies nicht (Kasse meint sie muss es nicht / Stornierung ist möglich) dann kann die Kasse diesen Fehler (Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsaktes / Ausstellung der Mitgleidsbescheinigung) nicht mehr heilen und der Verwandte ist dauerhaft in der GKV.

Solche Fälle hat es auch schon gegeben.

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Beitragvon Rossi » 19.03.2012, 20:46

Na ja, Charvaron, ich merke, Du bist vermutlich noch relativ jungfreudig in diesem Bereich.

Ich kann Dir nur einen Tipp aus meiner Sicht geben, fahre nicht darauf ab, dass mit "privat versichert" eine Vollversicherung gemeint ist. Selbst bei denjenigen Kunden, die überhaupt nicht privat versichert waren und eine Verpflichtung zum Abschluss einer priv. Kv. haben, betreibt die Kasse noch Wunschvorstellungen.

Guckst Du hier (GR für die ALG II-Empfänger vom 30.06.2011)

Seite 32

http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A07-Geldleistung/A071-Arbeitslosigkeit/Publikation/pdf/KV-Rundschreiben-AlgII.pdf

Zitat:

Als privat versichert im Sinne des § 5 Abs. 5a Satz 1 erste Alternative SGB V sind auch Personen mit Wohnsitz in Deutschland anzusehen, die nach den Regelungen des § 193 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) verpflichtet sind bzw. waren, eine Krankheitskosten-versicherung in der privaten Krankenversicherung abzuschließen bzw. aufrechtzuerhalten, dieser Verpflichtung aber (noch) nicht nachgekommen sind. Insofern ist das Tatbestandsmerkmal der „Unmittelbarkeit“ bei dieser Personengruppe regelmäßig als erfüllt anzusehen. Die Nichtbeachtung gesetzlicher Vorschriften darf nicht Folgen nach sich ziehen, die im Sinne einer Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung vom Gesetzgeber vermieden werden sollten.

Die Kassemitarbeiter halten sich an das Rundschreiben. Wenn Du die Kasse fragst, dann hat dies Rundschreiben fast sogar Gesetzescharakter.

In diesem Zusammenhang ist beim BSG auch ein Verfahren anhängig.

Ich persönlich würde mit diesem Argument defintiv nicht in den Ring einsteigen (privat = Vollversicherung).

Völlig klar, errare human est. Irren ist menschlich. Aber dort setze ich nicht an.

Es ist doch relativ einfach, Du schlägst eine Schlacht. Im Rahmen dieser Schlacht musst Du im Vorfeld beurteilen welche Waffen Du einsetzen kannst und willst. Wenn Du sofort alle Waffen einsetzt und wie ein wilder rundherum ballerst, dann hast Du sehr schnell Deine Munition verballert und kannst Dich nicht mehr wehren. Dann kommt der Gegenschlag und Du wirst vom Gegner niedergeschlagen.

Charvaron
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Beitragvon Charvaron » 20.03.2012, 10:06

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Beitragvon Charvaron » 20.03.2012, 10:12

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Beitragvon Vergil09owl » 20.03.2012, 20:31

Eine Mitgleidsbescheinigung ist nicht Mitgliedsbegründend. Selbst wenn Irrtum in der Sache geht auch.

Mitgliedsbescheinigung nach § 175 Abs 2 Satz 1 SGB V nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um schlichtes Verwaltungshandeln, aus dem keine Rechte abzuleiten sind (str, wie hier Peters in Handbuch der Krankenversicherung, § 175 SGB V Rdnr 16, 24, Stand Juli 1996; wohl auch Peters in Kasseler Kommentar, § 175 SGB V Rdnr 20, Stand April 2009; anderer Ansicht Sonnhoff in Hauck/Noftz, § 175 SGB V Rdnr 22, wonach es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit feststellender und nicht konstitutiver Natur handle; offen gelassen vom Sächsischen LSG, Urteil vom 30. September 2009 - L 1 KR 53/07; ebenfalls offen gelassen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Oktober 2007 - L 5 KR 2895/06). Sähe man in derartigen Bestätigungen der Mitgliedschaft einen Verwaltungsakt über das Vorliegen der Versicherungspflicht, wären die Krankenkassen erst nach verwaltungsaufwendigen, länger dauernden Verfahren zur Bestätigung einer beantragten Mitgliedschaft in der Lage. Solches würde den Anforderungen an eine Massenverwaltung nicht gerecht (vgl BSG, Urteil vom 21. Mai 1996 - 12 RK 67/94 = SozR 3-2200 § 306 Nr 2 = juris Rdnr 21).

Nachdem kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, konnte auch die Mitgliedschaft bei der Beklagten gemäß § 186 Abs 1 SGB V nicht beginnen. Denn die Mitgliedschaft beginnt mit dem Tag des Eintritts in das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis. Ansprüche gegen die Beklagte sind somit nicht gegeben.

Die H.K. ist auch nicht freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden. Sie hat die Mitgliedschaft bei der Beklagten nur bei Eintritt der Versicherungspflicht begründen wollen. Dies ergibt sich aus ihrem Aufnahmeantrag vom 6. Mai 2003.

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 01.03.2011 - L 11 KR 2278/09

Würde sichjetzt herraustellen das die Zuordnung zur PKV korrekt ist, ist war es eh ein Satz mit X
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Beitragvon Rossi » 20.03.2012, 21:01

Iss ja jetzt nicht wieder wahr, lieber vergil!

Selbst die von Dir eingestellte Kommentierungen sind sich nicht einig.

Und das Versteckspiel hinter dem Massengeschäft hinkt schon mal, wenn man erst eine Mitgliedsbescheinigung bekommt und dann auch noch das dolle Begrüßungsschreiben. Mit anderen Worten, vertraue niemals auf eine Aussage bzw. Feststellung einer Kasse, Die Kassen haben Narrenfreiheit und können so viele Fehler machen, wie sie wollen. Nach Monaten kommt das Ätschi, Bätschi!

In meinem Bereich (NRW) haut das LSG den Kassen dies regelmäßig um die Ohren.

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Beitragvon Vergil09owl » 20.03.2012, 21:07

Nuja du weißt 16 Gerichte 16 unterschiedliche Meinungen

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Beitragvon Rossi » 20.03.2012, 21:07

Zitat:

Nachdem kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorlag, konnte auch die Mitgliedschaft bei der Beklagten gemäß § 186 Abs 1 SGB V nicht beginnen. Denn die Mitgliedschaft beginnt mit dem Tag des Eintritts in das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis. Ansprüche gegen die Beklagte sind somit nicht gegeben.

Die H.K. ist auch nicht freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden. Sie hat die Mitgliedschaft bei der Beklagten nur bei Eintritt der Versicherungspflicht begründen wollen. Dies ergibt sich aus ihrem Aufnahmeantrag vom 6. Mai 2003.

LSG Baden-Württemberg Urteil vom 01.03.2011 - L 11 KR 2278/09


Auch diese Passage hängt wieder einmal total. Na klar, mit einer Mitlgiedsbescheinigung für eine versicherungspflichtige Beschäftigung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V kann ich keine Mitgliedschaft nach § 9 SGB V (freiw. Kv.) begründen. Äpfel sind keine Birnen.

Hier wurde aber eine Mitgliedsbescheinigung im Rahmen des ALG II-Bezuges gem. § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V ausgestellt und das ALG II wurde auch tatsächlich bezogen. Auch eine Karnevallsgeck, getarnt mit der Massenverwaltung?

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Beitragvon Vergil09owl » 20.03.2012, 21:12

Nö eigentlich nicht, es geht schlicht und ergreifend darum wem der denn jetzt zu zuordnen ist. Als Beispiel. Wenn ich die Kasse wäre würde ich mir mal die entsprechenden Vorschriften zu Gemüte führen die für Kinder von Beamten gelten usw. Denn würde ich das ganze Gedöns eh vom Spezialisten prüfen lassen. Wahrscheinlich geht das ganz doch eh wieder wie das Hornberger Schießen aus.

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Beitragvon Rossi » 20.03.2012, 21:27

Okay,

Denn würde ich das ganze Gedöns eh vom Spezialisten prüfen lassen


Hm, welche Funktion hast Du bei der Kasse? Bist Du Hausmeister und verteilst die Flyer (Mitgliedsbescheinigungen), oder hast Du eine Spezialausbildung zum Sofa?

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Beitragvon Charvaron » 20.03.2012, 21:36

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Beitragvon Rossi » 20.03.2012, 22:14

Na wunderbar

Die Kasse erwägt, den VA zurückzunehmen, für die Zukunft in jedem Fall, eine rückwirkende Rücknahme will sie "prüfen". Jedenfalls hat sie jetzt weitere Unterlagen angefordert.



Dann hat die Kasse schon mal das Verfahrensrecht (SGB X) erkannt.

Die Rücknahme des Verwaltungsaktes richtet sich nach § 45 SGB X. Hier ist schon mal Ermessen auszuüben. Die Kasse muss den VA nicht zurücknehmen, sie kann es. Und dort wird es schon wieder losgehen. Es sind hier alle Interessenslage aufzuzeigen und abzuwägen. Ich kann Dir nur soviel verraten, dass die Sozialhilfeträger mit solchen Entscheidungen (Ermessensausübung) sehr häufig den Bach hinuntergegangen sind. Es waren unsere Babyjahre. Ob die Kassen wissen, wie Ermessen auszüben ist, möchte ich hier offenlassen.

Für mich ist dann schon mal klar, rückwirkend geht es - aufgrund der Sachverahltsschilderung - definitiv nicht. Für die Zukunft würde ich diese schon mal als möglich ansehen. Dann hast Du aber den Krankenhausaufenthalt im Sack und musst Dir weiter keine Sorgen machen.

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Beitragvon Vergil09owl » 21.03.2012, 07:00

Okay,

Zitat:
Denn würde ich das ganze Gedöns eh vom Spezialisten prüfen lassen


Hm, welche Funktion hast Du bei der Kasse? Bist Du Hausmeister und verteilst die Flyer (Mitgliedsbescheinigungen), oder hast Du eine Spezialausbildung zum Sofa?

Hm eine Ausbildung als Dampfbläser habe ich nicht.


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