Pflichtversicherung für Rentner mit ausländischer KV

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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Wigald
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Pflichtversicherung für Rentner mit ausländischer KV

Beitragvon Wigald » 12.09.2008, 10:21

Hallo,

ich bin mittlerweile reichlich verwirrt, vielleicht kann einer der Teilnehmer hier ein bisschen Klarheit bringen... Folgende Situation:

Meine Großmutter ist amerikanische Staatsbürgerin (gebürtige Deutsche, hat aber nach der Heirat mit einem Amerikaner die US-Staatsbürgerschaft angenommen), wohnt seit 1966 in Deutschland und bezieht eine kleine amerikanische Rente. Über das US-Militär ist sie auch prinzipiell krankenversichert.

Das Problem ist, dass besagte Krankenkasse Behandlungen etc. nur dann übernimmt, wenn sie von amerikanischen Ärzten vorgenommen werden, also in der nächstgelegenen US-Kaserne. Irgendwelche Pflegeleistungen werden überhaupt nicht übernommen. Auch stellen die amerikanischen Ärzte keine Atteste aus, mit denen man z.B. einen Behindertenausweis (sie ist halb-blind, kann kaum laufen, ist dement...) beantragen könnte oder Pflegegeld oder sonstwas.

Da in den letzten Jahren alle US-Standorte in der näheren Umgebung geschlossen wurden, ist der nächste Arzt, zu dem sie gehen kann, 80km weit weg, das nächste Krankenhaus 240km. Auch ihre Medikamente bekommt sie nur in der Kaserne, und muss dort persönlich hin, also jedes Mal 80km Autofahrt. Sie könnte auch zu deutschen Ärzten gehen, dann würde die Kasse aber maximal 75% der Kosten übernehmen und man müsste erstmal alles komplett aus eigener Tasche zahlen. Diverse Leistungen werden überhaupt nicht übernommen, es kann also durchaus sein, dass man auf den ganzen Kosten sitzenbleibt, wenn's dumm läuft.

Auf Dauer ist das natürlich kein haltbarer Zustand, also habe ich mich umgesehen, ob es nicht möglich ist, sie irgendwie in die deutsche GKV zu bekommen.

Meine Großmutter bekommt auch eine kleine deutsche Rente und war vor vielen Jahren vermutlich auch in der GKV. Irgendwelche Dokumente dazu gibt's natürlich nicht mehr, das war irgendwann im 2. WK... In der ganzen Zeit danach war sie bei meinen Großvater über's US-Militär mitversichert, und jetzt über die Witwenrente ebenfalls.

Mir wurde geraten, zur AOK zu gehen und sie für die Pflichtversicherung für Rentner anzumelden. Nachteil sei nur, dass sie die Beiträge seit dem 1.4.2007 nachträglich zahlen müsste, aber in den sauren Apfel müsste man dann halt beißen.

Heute bei der AOK wurde mir gesagt, dass es da keinerlei Möglichkeiten gibt, da diese Art der Pflichtversicherung nur für Leute gedacht ist, die sonst überhaupt keine Möglichkeit hätten, in eine KV zu kommen. Sie dagegen wäre ja versichert, "zwar unbequem", aber immerhin. Da sei also definitiv nichts zu machen.

Mir wird Angst und bange, wenn ich dran denke, was passiert, sollte meine Großmutter ein wirklicher Pflegefall werden, oder was in einem Notfall passiert und ich sie in ein deutsches Krankenhaus bringen muss...

Kennt sich irgendwer hier in diesem Bereich aus? Ich wäre schon froh über ein paar Tipps, wo man sich evtl. da noch kompetent beraten lassen könnte...

Grüße,
Wiggy

Rossi
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Beitragvon Rossi » 14.09.2008, 22:01

Boah, was es nicht so alles gibt!

Also, wenn dann kommt überhaupt nur die Pflichtversicherung für die sog. Nichtversicherten im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zum tragen.

Zuständig hierfür ist nicht immer die AOK, sondern die Krankenkasse wo die Mutti damals in Deutschland zuletzt versichert war.

Also, puhle erst einmal welche Krankenkasse es war. Nach meiner Erfahrung wimmelt die ganz grosse Krankenkass - vorne ein A - diesen Personenkreis ab.

Allerdings muß ich zugegeben, dass diese Versicherungspflicht dann nicht greift, wenn ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht.

Die Mutti hat offensichtlich die sog. freie Heilfürsorge bei den Amis. Die freie Heilfürsorge ist grundsätzlich ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall.

Diese freie Heilfürsorge ist allerdings total eingeschränkt. Man muss bis zum nächsten Arzt 80 KM juckeln, oder bis zum nächsten Krankenhaus 240 KM fahren.

Okay, soweit alles in Ordnung.

Aber was macht die Mutti in einem Notfall; solche Fälle passieren immer wieder. Dann kann sie zum nächsten Arzt, bekommt aber nur 70 % der Kosten von der Armi ersetzt.

Sooh, in dieser Konstellation verfügt sie meines Erachtens definitiv nicht über einen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall, sodass dann die Pflichtversicherung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V greift.

Will heissen, wenn Mutti demnächst als Notfall behandelt wird, müsste die Versicherungskralle im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V greifen.

Ferner macht die gesetzliche KV doch ein Geschäft. Sie löhnt nämlich nur die restlichen 30 %. Die restlichen 70 % ruhen im Sinne von § 16 SGB V. Und Beiträge bekommen sie in voller Höhe.

So eine Klamotte ist etwas für den Petitionsausschuss.

Wigald
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Beitragvon Wigald » 15.09.2008, 08:56

Hi,

besten Dank erstmal für Deine Antwort! Was ich jetzt allerdings machen soll, weiß ich trotzdem nicht, ehrlich gesagt.

Bei welcher GKV meine Großmutter mal war (falls überhaupt), ist nicht mehr herauszufinden. Sie hat um 1940 herum mal eine Lehre als Bäckerin angefangen, und war dabei dann möglicherweise (kann auch sein, dass nicht) krankenversichert, in dem Fall dann höchstwahrscheinlich AOK. Mir wurde gesagt, ich solle eben einfach zur AOK zu gehen und behaupten, dass es so ist. Unterlagen aus der Zeit gäbe es sowieso keine mehr, es könne also auch keiner das Gegenteil beweisen.

Auf jeden Fall haben wir keinerlei Dokumente aus der Zeit mehr. Ich könnte höchstens mal bei der Deutschen Rentenversicherung nachfragen, da müsste zumindest die Arbeitszeit bekannt sein (irgendwie müssen die ja den Rentenanspruch berechnet haben). So weit ich weiß, muss man sowas im Formular für die Beantragung der Pflichtversicherung sowieso angeben. Dann hätte ich den Zeitraum, in dem sie gearbeitet hat, aber immer noch nicht, ob sie überhaupt versichert war und bei welcher Kasse.

Dann noch ein Detail, von dem ich nicht weiß, ob es relevant ist:

Bei der Versicherung meiner Großmutter handelt es sich nicht um freie Heilfürsorge. Es ist eine "normale" Krankenversicherung, für die sie monatlich aus ihrer Rente Beiträge bezahlt (und zwar sogar mehr als die 138EUR für die Pflichtversicherung), und die man theoretisch auch kündigen könnte.
Ich gehe aber mal davon aus, dass das in diesem Fall keine Rolle spielt, weil alleine die Möglichkeit einer anderweitigen Absicherung ausreicht, damit die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht mehr greift. Sehe ich das richtig?

Allerdings wäre es mir sowieso zu riskant, die vorhandene Versicherung auf gut Glück zu kündigen und auf die Aufnahme bei einer deutschen GKV zu hoffen. Gekündigt hätte ich die US-KV erst, wenn das AOK-Versichertenkärtchen da ist und mal "ausprobiert" wurde...

Grüße,
Wiggy

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Beitragvon Rossi » 15.09.2008, 20:14

Also, ich würde folgende Schritte gehen:

1. Nachfrage bei der DRV
Soweit mir bekannt ist, hat die DRV alles auf Mikrofilm. Früher war es so, dass über die zuständige Krankenkasse beim Rententräger gemeldet wurde.

Die Bäcker sind auch heute noch eine Zunft. Vermutlich waren es damals die Innungskrankenkasse. Aber vielleicht kann die DRV helfen. Am besten schriftlich.



2. Nachforschen bei der derzeitigen Versicherung
Was ist das genau für eine Versicherung ist. So eine Art private KV. Welches Recht gilt hier; das Deutsche oder Amerikanische?! Was passiert wenn man kündigt, kommt man ein oder zwei Monat wieder rein?!?!

Wigald
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Beitragvon Wigald » 22.09.2008, 13:47

Hi,

danke nochmals für Deine Ausführung.

Ich habe jetzt bei der DRV Infos angefordert, das kann wohl eine Weile dauern.

Was ich die Krankenversicherung meiner Großmutter anbetrifft, habe ich unter diesem Link eine ganz nette Erklärung gefunden: http://usarundbrief.com/54/p9.html

Das ist allerdings nicht ganz auf dem aktuellen Stand (die Prozentsätze sind anders, und Medikamente werden übernommen, im Gegensatz zu dem, was im Artikel steht), aber im Großen und Ganzen trifft das so zu.

Scheinbar ist diese Versicherung verpflichtend, kriegt man als Rentner automatisch "aufgedrückt", sobald man Rente bekommt und keine andere Versicherung hat.

Laut Telefonat kann man's nur dann kündigen, wenn man nachweisen kann, dass man eine anderweitige, sichere Krankenversicherung hat, die mindestens die gleichen Leistungen zahlt. Sprich, da haben wir ein Henne-Ei-Problem... die deutsche Versicherung übernimmt die Oma nicht, solange sie die amerikanische Versicherung hat, und die amerikanische Versicherung läßt sich nicht kündigen, solange sie keine deutsche Versicherung hat...

Was man allerdings machen könnte, meinte die Dame am Telefon, ist, eine Stufe zu canceln. Medicare gibt es "getrennt" für stationäre (das ist dann Medicare A) und ambulante Massnahmen (das ist dann Medicare B) mit jeweils separaten Beiträgen. Man könnte quasi Teil B streichen und hätte dann keine ambulanten Leistungen mehr. Ausserdem fiele dann die Möglichkeit der Erstattung irgendwelcher Dienstleistungen von deutschen Ärzten komplett weg (für "Auslandsbehandlungen" bekommt man nur Unterstützung, wenn man Medicare A+B auf einmal hat), dann geht also definitiv nur noch Krankenhausbesuch in der Kaserne. Davon hat die Dame am Telefon natürlich wärmstens abgeraten, weil dann ist man ja total verratzt und verloren. Wieder rein kommt man dann wenn überhaupt nur mit Wartezeiten >6 Monate.

Grüße,
Wigald
Zuletzt geändert von Wigald am 22.09.2008, 14:05, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Wigald » 22.09.2008, 14:03

Eine Sache habe ich oben noch vergessen:

Die unter dem Link aufgeführten Einschränkungen von Medicare (Zuzahlungen bei Krankenhausaufenthalt usw.) gelten bei meiner Großmutter NICHT, wenn sie Behandlungen in einer "Military Treatment Facility" (also Arzt/Krankenhaus in einer US-Kaserne) in Anspruch nimmt, da werden alle Kosten komplett übernommen.

Grüße,
Wigald

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Beitragvon Rossi » 22.09.2008, 17:50

Boah heiliger Strohsack, so eine Klamotte habe ich noch nie gehört.

In der Tat, wir haben ein Henne-Ei-Problem.

Auf der anderen Seite kann dieses im Rahmen des GKV-WSG so nicht gewollt sein. Man muss ja auch berücksichtigen, dass die Großmutter nicht mehr die Jüngste ist. Die Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V soll nur deshalb nicht zum Tragen kommen, da es einer 80-jährigen zumutbar ist, diese umständlichen Wege zu gehent. Das ist - meines Erachtens - definitiv nicht zumutbar.

Auf der anderen Seite gibt es mit den Amerikaner auch Sozialversicherungsabkommen. Ist aber die Frage, welches SV-Abkommen hier besteht. Wenn auch ein KV-Abkommen (weiss ich aber nicht , vermutlich nur ein Rentenabkommen) besteht, könnte man es über eine Betreuungskasse (irgendeine in Deutschland) abwickeln. D. h., eine in Deutschland gewählte Betreuungskasse streckt vor - mit Chipkarte ganz normal - und holt sich die Kohle aus von den Amerikanern wieder. Geht aber nur dann, wenn ein KV-Abkommen besteht.

Die DVKA kann hierzu mehr sagen.

Wäre fast ne Geschichte für den Petitionsausschuss, was einer alten Oma zugemutet wird.

Ich würde es einfach über die letzte GKV in Deutschland probieren und die Versicherungspflicht im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V anzeigen und auf die miserabelen Zustände hinweisen. Also nicht telefonisch sondern schriftlich mit einer ausgiebigen Begründung. Wobei im Vorverfahren wird die KV diese Anzeige mit Sicherheit ablehnen.

Denn schliesslich bekommt die KV dann allenfalls eine Minibeitragszahlerin die vermutlich hohe Kosten verursacht.

Also einen roten Teppich und ne Tasse Kaffee wird Oma in der Geschäftsstelle der Krankenkasse definitiv nicht erhalten.

Viel mehr kann ich Dir leider auch nicht posten.

Wigald
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Beitragvon Wigald » 03.10.2008, 13:58

Hi nochmal,

danke wieder für die Tipps. Recherchen bei der DRV laufen, wer weiß, wie lange das dauert...

Aber mal eine ganz aberwitzige Idee: Was wäre, wenn jemand meine Großmutter für ein paar Monate für 401EUR/Monat als Putzhilfe o.ä. anstellen würde? Wäre sie dann nicht automatisch in der GKV? Und wenn sie dann nach ein paar Monaten gekündigt werden würde (wegen Betriebsschließung oder sonstwas), müsste die GKV sie dann nicht behalten, sofern sie zu dem Zeitpunkt keine anderweitige Absicherung mehr hat?

Die Frage ist nur, wie offensichtlich das für die KK wäre, wenn da eine 83-jährige reingehumpelt kommt, die jetzt plötzlich als Putze arbeiten will und ganz zufällig vorher noch keine KV hatte...

Grüße,
Wiggy

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Beitragvon dij » 03.10.2008, 14:38

(edit: Quark, bitte ignorieren ...)
Zuletzt geändert von dij am 05.10.2008, 18:58, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Rossi » 05.10.2008, 18:06

Öhm - dij - dat hatten wir doch schon.

Wigald Omma erfüllt aber keine von den zusätzlichen K. O. Kriterien, die da wären

- in den letzten 5 Jahren min. 2,5 Jahre hauptberuflich selbständig

oder

- versicherungsfei im Sinne von § 6 SGB V (Richterin, Soldatin, Beamtin etc.)

oder

- auf Antrag von der Versicherungspflicht (§ 8 SGB V) befreit.

Somit käme die Ommi grundsätzlich bei Aufnahme einer sv-pflichtigen Beschäftigung in die GKV. Na ja, aaabbber mit 83 Jahren stinkt es natürlich 5 Kilometer gegen den Wind!!!!


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