unrechtmäßig privat versichert - GKV Nachzahlung

Beitragssätze, Kassenwahlrecht, Versicherungspflicht, SGB V, usw.

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stab
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unrechtmäßig privat versichert - GKV Nachzahlung

Beitragvon stab » 10.11.2008, 11:20

Hallo Forenmitglieder,

wir haben folgendes Szenario:

Meine Lebensgefährtin war bis 2004 angestellt, lag über der Pflichtversicherungsgrenze und war privat versichert.

2005 - 2006 selbstständig und weiterhin privat versichert.

Seit 03-2006 ist sie in einem neuen Angestelltenverhältnis mit einem Einkommen allerdings unter der Pflichtversicherungsgrenze.

Im guten Glauben und auch unwissentlich behielt sie ihre private Versicherung bei der selben PKV bei. Es kamen auch keine Fragen des Arbeitgebers (Einzelhandelskette). Dieser zahlte auch 50% des Beitrags.
2007 wechselte sie dann nochmal aufgrund eines Tarifvergleichs die PKV . Auch hier gab sie im Aufnahmeformular korrekt ihr Einkommen mit 1900,- netto an. Der Antrag wurde auch ohne Probleme angenommen.

Jetzt fand wohl routinemäßig im Unternehmen eine Sozialversicherungsprüfung statt. Hier ist aufgefallen, dass sie zu unrecht nicht gesetzlich versichert ist. Die Beiträge seit 03-2006 müssten nachgezahlt werden.

Den Aufnahmeantrag rückwirkend in eine GKV hat sie gestellt und geht natürlich in Ordnung. Für fast 3 Jahre wird es nach unserer Hochrechnung wohl ein 5-stelliger Betrag x 0,5 sein.

Jetzt jede Menge Fragen:

1. Bei wem liegt hauptsächlich das Versäumnis?
2. Müssen die PKV's Beiträge rückerstatten?
3. Was ist mit den Arztrechnungen, die sie wg. Selbsbeteiligungsanteil übernommen hat? (Es wurden nie Leistungen bei den PKV's bezogen)
4. Muss sie die vollen Beiträge zur GKV nachzahlen?
5. Wie verhält es sich mit den Steuererklärungen?

Vielleicht ist einem das auch schon passiert oder jemand hat einen Tipp, wie wir verfahren sollen oder welche besonderen Regelungen es in einem solchen Fall gibt.

Vielen Dank
stab

dij
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Beitragvon dij » 10.11.2008, 17:24

§ 26g SGB 4: „Beitragsabzug. Der Arbeitgeber hat gegen den Beschäftigten einen Anspruch auf den vom Beschäftigten zu tragenden Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags. Dieser Anspruch kann nur durch Abzug vom Arbeitsentgelt geltend gemacht werden. Ein unterbliebener Abzug darf nur bei den drei nächsten Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden, danach nur dann, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist. Die Sätze 2 und 3 gelten nicht, wenn der Beschäftigte seinen Pflichten nach § 28o Abs. 1 vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachkommt oder er den Gesamtsozialversicherungsbeitrag allein trägt oder solange der Beschäftigte nur Sachbezüge erhält.“

§ 28o sagt, daß der Beschäftigte seinem Arbeitgeber das Notwendige mitteilen muß. Da der Fall aber so klingt, als ob die Versicherungspflicht ziemlich eindeutig gewesen wäre, dürfte das kein Problem sein. Dann wäre noch die Frage, ob der Arbeitgeber die PKV-Zuschüsse zurückverlangen kann. Ich rieche Entreicherung, aber dazu kann besser ein Anwalt etwas sagen.

Die private Versicherung kann nach § 205 VVG zum Ende des laufenden Monats gekündigt werden, wenn dem Versicherer ein Nachweis über die Versicherungspflicht vorgelegt wird.

Ob die gesetzliche Krankenkasse nun einen Teil der Privatrechnungen übernimmt, ist fraglich; da hat es in den letzten Jahren Änderungen der Rechtslage gegeben, die man erst einmal ausführlicher recherchieren müßte.

Für Steuerfragen Steuerberater fragen.

Rossi
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Beitragvon Rossi » 10.11.2008, 18:47

Oh weia, das ist aber ein ducker Hund.

Ich denke mal, den schwarzen Peter muss sich in erster Linie der Arbeitgeber ankreiden.

Denn er ist schliesslich melde- und abgabepflichtig (vgl. § 198 und § 253 SGB V)

Gucke mal hier; da haben wir eine ähnliche Konstellation durchgekaut: http://vs-24.com/forum/viewtopic.php?t=931&postdays=0&postorder=asc&start=0

stab
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Beitragvon stab » 14.11.2008, 17:35

Vielen Dank auch für die ausführlichen Antworten.

Seit ein paar Tagen beschäftigen wir uns gezwungenermaßen etwas intensiver mit dieser Materie und sehen wohl auch den "dicken Hund" auf uns zukommen. Nun wird es zunehmend spannender.

Desweiteren hätte ich nicht gedacht, dass dieser Fall wohl recht selten vorkommt.

Eine einfache Lösung und Rechnung für alle, die da wäre ...

OK, vertan!

1. Privatversicherungen zahlen zurück.
2. Gesetzliche Beiträge werden nachgezahlt.

FERTIG!

... scheint es nicht zu geben.


Erst mal gehen die Schuldzuweisungen hin und her.

Heute erhielt meine Lebensgefährtin das erste offizielle Schreiben, und zwar von Ihrem Arbeitgeber:

Nachforderung: 12100 Euro.
Das hätte sie jetzt abzustottern.

Natürlich haben wir uns auch anderweitig erkundigt.
Alle vorsichtigen Interpretationen deuten aber darauf hin, dass es ein klarer Fehler der Personalabteilung ist.


Ich halte das Forum dann auf dem Laufenden.

GS
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Der Fehler liegt hier ...

Beitragvon GS » 14.11.2008, 23:01

... eindeutig beim Arbeitgeber bzw. bei seinen ausführenden Organen.

Auf Deutsch: Irgendjemand in der Personalabteilung hat Mist gebaut bzw. damals kräftig geschlafen, und jetzt wird versucht, das auf dem Rücken der Arbeitnehmerin abzuladen.

Grundsätzlich riecht das nach einer anwaltlichen Unterstützung, wenn, oder besser, bevor es hart auf hart kommt.

Ist aber auch schon mal vorgekommen, dass man sich an die der betreffenden Personalstelle übergeordnete Instanz gewandt hat, und zwar mit Erfolg. Diese Stelle hat dann dem Arbeitnehmer (in dem Fall war es ein Mann) mitgeteilt, dass die Forderung sich erledigt habe und man das mit der Krankenkasse (die inzwischen im Spiel war) klären würde. Und falls nicht schon geschehen, solle man bitte nicht vergessen, den privaten Vollversicherungsvertrag umgehend zum Ende des laufenden Monats zu kündigen.

Und entschuldigt hat man sich sogar auch, ohne allerdings mitzuteilen, welche "Ohrfeige" man dem Betreffenden in der Personalabteilung verpasst hat. Aber darauf kam es dem Arbeitnehmer auch gar nicht an.

Zurück zu diesem Fall:
So ganz in Unschuld zu baden braucht sich auch nicht derjenige, der die PKV-Beratung abgeliefert hat. Wer 2006 eine frischgebackene Arbeitnehmerin zu ihrer bestehenden Vollversicherung beraten hat und "1900 € netto" gehört hat, dem wäre auch kein Zacken aus der Krone gefallen, wenn er sich mal nach dem "Brutto" erkundigt hätte. Ein PKV-Netto von 1900 €, das roch auch 2006 schon gewaltig nach "Pflichtversicherung".

Gruß von
Gerhard


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